Syrien beklagt «neue Phase der israelischen Aggression»

Eskalation nach Raketenangriffen iranischer Revolutionsgarden auf von Israel besetzte Golanhöhen

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.

Kein Auge habe er zugemacht, als die Raketenangriffe ihn in den frühen Morgenstunden am Donnerstags aufgeweckt hätten, sagt Bader M., der unweit der syrischen Forschungsanlage Jamraya, nördlich von Damaskus wohnt. Wiederholt ist diese Anlage von Israel und zuletzt vor einem Monat von Raketen der USA, Großbritanniens und Frankreichs angegriffen worden. Dieses Mal aber habe er sich sicher gefühlt, so Bader M. weiter: «Die syrische Luftabwehr hat die Raketen abgefangen. Die israelische Armee hat gedacht, dass wir nach sieben Jahren Krieg am Boden kriechen, aber wir sind noch immer da. Und wir werden bleiben.»

Bereits am Montag - unmittelbar nach der Verkündung von US-Präsident Donald Trump, aus dem Atomabkommen mit Iran auszusteigen - hatte Israel militärische Stellungen im Süden von Damaskus bei Al Kisweh angegriffen. Die syrische Luftabwehr hatte den Angriff abgewehrt, die syrische Nachrichtenagentur Sana hatte Aufnahmen davon veröffentlicht.

In der Nacht zu Donnerstag griffen die Israelischen Streitkräfte (IDF) nach eigenen Angaben 50 militärische Ziele zwischen Homs, Qusair an der Grenze zu Libanon, Damaskus und Sweida an, wo nach Angaben aus Tel Aviv überall iranisches Militär stationiert sei. Als Begründung für die massiven, stundenlangen Attacken nannte die israelische Armeeführung einen Angriff von 20 Raketen, die von einem iranischen Raketenwerfer zuvor auf Israel abgefeuert worden seien. Das Fahrzeug habe Israel anschließend zerstört.

In ungewohnter Offenheit wurde zudem eine Karte veröffentlicht, auf der die Ziele eingezeichnet waren, die nach IDF-Angaben «alle zu den Al-Quds-Kräften der iranischen Revolutionsgarden» gehörten. Es seien «Geheimdienstanlagen, Logistikzentren in Al Kisweh, eine militäische Anlage und Waffenlager in der Nähe des Internationalen Flughafens von Damaskus zerstört worden.

Israel werde es nicht zulassen, dass »Iran Syrien in eine Frontbasis für Angriffe gegen Israel verwandelt«, sagte Verteidigungsminister Avigdor Lieberman in Tel Aviv. Wenn gegen Israel ein Regen von Raketen eingesetzt werde, »werden sie (die Iraner und Syrer) eine Flut (von Raketen) haben.« Im Übrigen habe keine der Raketen Israel getroffen, so Lieberman, der sich bei der aktuell stattfindenden Herzliya-Sicherheitskonferenz äußerte. Israel dagegen habe »fast die gesamte iranische Infrastruktur in Syrien zerstört«.

Unterstützung für die Angriffe auf Syrien erhielt Israel von seinen Verbündeten in den USA, Europa und am Golf. Berlin, Paris, London und Washington verurteilten einstimmig die »iranischen Raketenangriffe« auf Israel, Berlin sprach von einer »schweren Provokation«. Israel habe das »Recht auf Selbstverteidigung«, hieß es. Russland und China riefen Israel und Iran zur Zurückhaltung und Deeskalation auf.

Weder die iranische Regierung, noch das Verteidigungsministerium noch die Revolutionsgarden hier in Syrien hatten bis zum Donnerstagnachmittag angebliche Raketenangriffe auf Israel bestätigt.

Der libanesische Nachrichtensender Al Mayadeen hatte seit den späten Abendstunden des Mittwoch zunächst über israelische Angriffe auf den syrischen Golan, die Provinzhauptstadt Qunaitra und die Stadt Al-Baath berichtet. Als Vergeltung seien dann von iranischen Einheiten bis zu 50 Raketen in Richtung Israel abgeschossen worden, die eine Reihe israelischer Militäranlagen getroffen haben sollen. Dies wiederum wurde von Israel nicht bestätigt.

Die syrische Armeeführung und das Außenministerium in Damaskus verurteilten die israelischen Angriffe. Die Armeeführung teilte zudem mit, die Luftabwehr habe einen großen Teil der israelischen Raketen abgefangen und zerstört. Man sei »in voller Bereitschaft, um die Souveränität der Heimat gegen jede Aggression zu verteidigen.« Diesmal gab es auch Angaben zu eigenen Verlusten: Drei Personen seien getötet, zwei weitere verletzt worden. Eine Radarstation und ein Munitionsdepot wurden getroffen. Das Außenministerium sprach von einer »neuen Phase der israelischen Aggression gegen Syrien«.

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