- Politik
- Krise in Katalonien
Puigdemont verzichtet auf Kandidatur
Ex-Regionalpräsident schlägt mit dem Abgeordneten Quim Torra einen möglichen Nachfolger vor
Barcelona. Nach Monaten in der politischen Sackgasse zeichnet sich in Katalonien womöglich ein Ausweg ab. Der katalanische Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont verzichtete am Donnerstag auf eine Wiederwahl in das Amt und schlug einen Nachfolger vor, der neu in der Politik ist: Der 55-jährige Abgeordnete Quim Torra solle in den nächsten Tagen zum Regionalpräsidenten gewählt werden, sagte Puigdemont in einem in Deutschland aufgezeichneten Video.
Der 55-jährige Torra ist der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung stark verbunden. Anders als Puigdemont und andere Führungsfiguren der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung ist der Verleger aber ganz neu in der Politik. Torra kann im Prinzip mit einer Mehrheit im katalanischen Parlament rechnen, da er von Puigdemonts Mitte-rechts-Bündnis Junts per Catalunya (JxCat, Zusammen für Katalonien) und der anderen großen Unabhängigkeitspartei Republikanische Linke (ERC) unterstützt wird. Seine Wahl könnte Anfang nächster Woche erfolgen.
Würde bis zum 22. Mai kein Regionalpräsident gewählt, dann müsste es in Katalonien zu Neuwahlen kommen - was viele Unabhängigkeitsbefürworter aus Angst vor einem Verlust ihrer Mehrheit im Parlament aber vermeiden wollen. In der Zwischenzeit steht die Region im Nordosten Spaniens weiter unter der Zwangsverwaltung der spanischen Zentralregierung.
Madrid hatte Ende Oktober die direkte Kontrolle über Katalonien übernommen und die von Puigdemont geführte Regionalregierung ihres Amtes enthoben, nachdem das Parlament in Barcelona die Unabhängigkeit Kataloniens erklärt hatte. Zahlreiche Anführer der Unabhängigkeitsbefürworter sitzen seither im Gefängnis oder sind wie Puigdemont im Exil. Madrid wirft ihnen »Rebellion« vor und will sie verurteilt sehen.
Bei der von Madrid angesetzten katalanischen Parlamentswahl im Dezember hatte das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter aber seine absolute Mehrheit verteidigt. Seither gelang es ihm allerdings nicht, einen Regionalpräsidenten zu wählen. So verbot das spanische Verfassungsgericht im Januar die Wiederwahl Puigdemonts in Abwesenheit.
Zuletzt hatte das spanische Verfassungsgericht am Mittwoch einen Antrag der Zentralregierung zur Entscheidung angenommen, ein vergangene Woche vom katalanischen Parlament verabschiedetes Gesetz aufzuheben. Dieses sollte die Ernennung des derzeit in Berlin lebenden Puigdemont in dessen Abwesenheit ermöglichen.
Puigdemont, der sich zunächst im Exil in Belgien befand, war am 25. März kurz nach seiner Einreise aus Dänemark auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls aus Spanien in Deutschland festgenommen worden. Er hatte das katalanische Unabhängigkeitsreferendum im Oktober organisiert, obwohl die Abstimmung von der spanischen Justiz verboten worden war.
Die deutsche Justiz lehnte aber seine Auslieferung nach Spanien wegen des Vorwurfs der »Rebellion« ab. Derzeit wird noch darüber befunden, ob Puigdemont wegen eines weiteren Vorwurfs - es geht um »Untreue« im Zusammenhang mit dem Referendum - an Spanien ausgeliefert wird.
In seiner Video-Botschaft sagte Puigdemont nun, »die Intoleranz und der mangelnde Respekt« der Zentralregierung gegenüber dem Willen der katalanischen Bürger sei deutlich geworden. Er rief die nächste Regionalregierung auf, ein unabhängiges Land zu schaffen.
Am Donnerstag hatte sich der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy gesprächsbereit mit einer künftigen Regierung Kataloniens gezeigt. Er sei zur »Aufnahme eines Dialogprozesses bereit«, sagte Rajoy im Interview des TV-Senders Antena 3. Einzige Bedingung sei, dass dieser Dialog sich »im Rahmen des Gesetzes« halte, warnte der konservative Politiker. Agenturen/nd
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