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An der Flughafenbaustelle schamlos bereichert
Mehr als Hoffen und Bangen scheint nicht zu bleiben, wenn es um die Situation am BER in Schönefeld geht
Beim Thema Großflughafen BER herrscht in der Landtagsfraktion der Linkspartei eher Missmut und jedenfalls alles andere als Optimismus. Mit Blick auf die unsägliche Baugeschichte sagte der Abgeordnete Matthias Loehr neulich, man müsse feststellen, dass sich große Firmen an diesem Projekt »schamlos bereicherten«.
Linksfraktionschef Ralf Christoffers bestätigte: Man habe es mit einer »Geldmaschine« zu tun. Mit neuesten Zielvereinbarungen hoffe man, dem Einhalt geboten zu haben. Nun werden Baufirmen nicht mehr nach Stunden bezahlt, sondern es gilt wieder die sonst im Bauwesen übliche Verfahrensweise, dass bei einer Überschreitung vereinbarter Termine die Vergütung gekürzt werde.
Die Nachricht, dass der Großflughafen im Oktober 2020 eröffnet werden solle, wird in der Linksfraktion mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Zu viele früher genannte Eröffnungstermine haben sich schon als Luftblasen erwiesen. Die Verkabelung und die Sprinkleranlage im Terminal nannte Loehr »nach wie vor offene Baustellen«. Hinzu kommen in Abständen von einem Viertel oder einen halben Jahr regelmäßig neue Probleme, die nicht vorhersehbar waren und über die zuvor noch niemand gesprochen habe. »Es gibt immer neue Überraschungen«, bemerkte Loehr.
Von einem »unguten Gefühl« sprach die Abgeordnete Anita Tack. Seit Baustart im Jahr 2006 leide das Großprojekt. Sowohl im brandenburgischen Landtag als auch im Berliner Abgeordnetenhaus mussten sich schon je zwei Untersuchungsausschüsse damit befassen. Eine Verbesserung habe sich nicht ergeben, bedauerte Tack. Nach den ersten Hiobsbotschaften hätte noch unter dem Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) und in der Amtszeit des Berliner Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) die Frage eines Schnitts gestanden. Nachdem die Entscheidungen gefallen waren, »rennen wir immer nur hinterher«, klagte die Abgeordnete Tack. »Wir tragen nicht die Verantwortung dafür«, sagte sie.
Tatsächlich lehnte die LINKE den Standort Schönefeld ab, konnte sich damit einst als Oppositionspartei jedoch nicht durchsetzen. Mit ihrem Einstieg in eine rot-rote Landesregierung im Jahr 2009 musste die LINKE aber doch wohl oder übel Verantwortung übernommen. Seitdem musste sie zuweilen für unpopuläre Zuschüsse beziehungsweise zusätzliche Kredite für den Großflughafen stimmen, obwohl nicht klar ist, ob, wann und zu welchen Kosten der Bau vollendet werden kann. Gebetsmühlenartig heißt es, man müsse den BER endlich »an den Start bringen«.
Der letzte Stand: Bis zum Frühjahr 2020 sollen die Bauarbeiten abgeschlossen werden. Ein Zeitpuffer von einem Vierteljahr ist vorsorglich einkalkuliert. Ende 2020 könnte dann der Flugbetrieb aufgenommen werden. Der erste Eröffnungstermin war für Juni 2012 vorgesehen.
»Wir werden mit dem Flughafenthema nicht gewinnen«, schätzte Linksfraktionschef Ralf Christoffers ein. Immerhin deuten jüngste Entwicklungen darauf hin, dass man nun »zielbewusster arbeitet«. Die Fraktion beschloss, Verantwortliche aus der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft einzuladen und sich von ihnen berichten zu lassen.
Angesichts von Jahreseinnahmen in Höhe von 102 Millionen Euro an den beiden bestehenden Berliner Flughäfen Schönefeld und Tegel sind Zweifel daran aufgekommen, dass die Flughafengesellschaft FBB ihre Milliardenkredite in absehbarer Zeit zurückzahlen kann. »Ich frage mich, wie man damit drei Milliarden Euro Darlehen bedienen will«, höhnte der fraktionslose Abgeordnete Christoph Schulze im Flughafenausschuss des Landtags. BER-Finanzchefin Heike Fölster wies die Befürchtungen mit Blick auf das prognostizierte Passagierwachstum zurück: »Die 100 Millionen Euro erwirtschaften wir mit 33 Millionen Passagieren im Jahr.« Fölster versicherte, mit steigenden Passagierzahlen werde der neue Hauptstadtairport BER deutlich höhere Erträge abwerfen.
Hinzu kämen höhere Einnahmen durch Flughafengebühren, Gastronomie, Einzelhandel und Werbung, ergänzte Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider. Das vergangene Geschäftsjahr sei für die Flughafengesellschaft trotz der nicht überbordenden Einnahmen sehr erfolgreich gewesen. Immerhin habe die FBB die Insolvenz der Fluggesellschaft Air Berlin verkraften müssen, wurde als Begründung nachgeschoben.
Zudem zeigte sich Aufsichtsratschef Bretschneider davon überzeugt, dass die Eröffnung des BER nicht nochmals verschoben werden muss. »Das Hauptgebäude wird 2020 in Betrieb gehen«, sagte er. Neben dem Hauptgebäude soll ein Terminal T2 entstehen, um zum Start des Flugbetriebs ausreichend Kapazität zu haben. Dieses Terminal soll relativ preiswert erstellt werden. »Über Schönheit kann man streiten«, meinte Bretschneider dazu. »Für mich ist es wichtig, dass wir fertig werden.«
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