Charmeoffensive für den Krieg
Bundeswehrauftritt beim Hamburger Hafengeburtstag blieb auch in diesem Jahr nicht unbehelligt
Die Bundesmarine hat ihre Argumente gegen die angekündigten antimilitaristischen Proteste beim 829. Hafengeburtstag deutlich sichtbar gemacht. »Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst«, ist auf einem riesigen Banner mit stylishem Flecktarn-Hintergrund zu lesen, das an der Steuerbord-Reling der Fregatte »Augsburg« angebracht ist. Dagegen wiederum erheben am Samstagnachmittag Friedensaktivisten Einwände mit bombenförmigen schwarzen Luftballons, auf denen groß »Frauenrechte« und »Demokratie« geschrieben steht. Damit wollen sie deutlich machen, dass Bundeswehrsoldaten vor der Küste Somalias eben nicht nur, möglicherweise gar nicht nach Wegen zur Verwirklichung hehrer Ziele suchen - sondern eher nach mehr »Platz an der Sonne« fürs deutsche Kapital.
Die rund 60 Demonstranten, die dem Aufruf des Bündnisses Bildung ohne Bundeswehr (BoB) »Militärpropaganda, Auslandseinsätze und Rüstung stoppen!« gefolgt sind, entrollen an der Überseebrücke Transparente: »Zivilklausel in Hochschule & Hafen« und »Bundeswehr raus aus Afrika!«, fordern sie. Ein Redner verweist auf die »blutige Tradition« der deutschen Streitkräfte und erinnert an die Völkermorde, an denen sie beteiligt waren. Nicht hinnehmbar sei die beschlossene massive Erhöhung des Wehretats - bis 2021 sind es 5,38 Milliarden, die zum Beispiel bei der Bauförderung bezahlbaren Wohnraums fehlten, kritisiert er. »Sie werben hier für imperialistische Interessen«, kommentieren die BoB-Aktivisten den umfangreichen PR-Aufritt der Bundeswehr am Anleger vis-à-vis des berühmten Museumsschiffs Cap San Diego − und schicken einen wenig höflichen Imperativ hinterher: »Zischt ab!«
Die anwesenden Feldjäger begnügen sich (im Gegensatz zum vergangenen Jahr, als sie sehr rabiat gegen eine friedliche Aktion von Antimilitaristen vorgingen) damit, ihre schlechte Laune zu dokumentieren und alle an der Antikriegskundgebung Beteiligten abzulichten - auch als zwei Aktivistinnen kurz vor dem offiziellen Beginn über ein Gerüst das Dach der Überseebrücke entern und ihnen von oben ein Banner mit der Aufschrift »Wir wollen eure Kriege nicht!« entgegenhalten. Aber die Polizei greift ein und stellt von vier Personen die Personalien fest.
Aus der Menschenmasse, die sich bei strahlendem Sonnenschein um die unzähligen Jahrmarktsbuden drängt, lassen sich nur wenige aus ihrem Bier- und Bratwurst-Modus reißen. »Da muss man mal reinhalten und bäng!«, so der unmissverständliche Lösungsvorschlag eines jungen Mannes für das Problem, das seines Erachtens nicht die Bundeswehr, sondern das Friedenslager darstellt. Aber es gibt auch andere Stimmen: »Ich finde den Protest gar nicht schlecht. Es ist doch paradox, Gewalt mit Gewalt bekämpfen zu wollen«, sagt die 19-jährige Sophia, die für ein Touristikunternehmen Tickets verkauft, und zeigt in Richtung »Augsburg« und die anderen Marinefahrzeuge.
Mit den heute als »Open Ships« deklarierten Kriegsschiffen lädt die Bundeswehr nicht nur zum »Dialog«, sondern sucht auch Rekruten anzuheuern. BoB beobachtet solche Charmeoffensiven mit Argwohn. Kriege würden als »Abenteuerurlaub« und »Karrierechance« verkauft, erklärt Sprecherin Alison Dorsch. Seit Aussetzen der Wehrpflicht 2011 sei bei der Entwicklung des Marketings der Bundeswehr »eindeutig ein quantitativer, aber auch qualitativer Sprung« wahrzunehmen. »Sie drängt mit allen Mitteln ins öffentliche Bewusstsein«, so Dorsch weiter. Vor vier Jahren habe die Bundeswehr ihre »Mach, was wirklich zählt«-Kampagne gestartet; mittlerweile bewerbe sie mit der Videoserie »Mali« explizit einen Auslandseinsatz. Kritik übt Bob auch am zunehmenden »Schulterschluss« der Kirchen mit dem Militär, die am letzten Tag des Hafengeburtstags gemeinsam einen Gottesdienst mit anschließendem »Kirchencocktail« auf einem Kriegsschiff abhalten.
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