• Politik
  • Anklage gegen völkische Nationalisten

Der Kreis schließt sich

Österreich: Sogenannte Identitäre Bewegung als »Kriminelle Vereinigung« angeklagt

  • Michael Bonvalot, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwei Jahre dauerte es, bis die österreichische Justiz Anklage erhob: Bereits seit 2016 ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die »Identitäre Bewegung« (IB). Damals waren Mitglieder der IB auf das Dach der Grazer Zentrale der Grünen geklettert, wo sie sie Kunstblut verspritzten und ein Banner mit der Aufschrift »Islamisierung tötet« präsentierten. Die Staatsanwaltschaft sieht in dieser und ähnlichen Aktionen Verhetzung und begründet so die Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, wie sie am Montag mitteilte. Der Strafrahmen beträgt bis zu drei Jahre Haft.

Wie die Staatsanwaltschaft in einer Erklärung schreibt, sei das Ziel der rechten Vereinigung »zu Hass gegen die Religionsgesellschaft des Islam, gegen Muslime, Ausländer und Flüchtlinge und insbesondere auch türkische Staatsangehörige aufzustacheln und diese Gruppen durch Beschimpfungen in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzusetzen«. Die sogenannte Identitäre Bewegung sei darauf ausgerichtet, dass von ihren Mitgliedern Verhetzungen und Sachbeschädigungen begangen werden.

Ein weiterer Ausgangspunkt der Ermittlungen war ein Finanzstrafverfahren. Denn der völkischen Gruppierung wird vorgeworfen, Erlöse über ihren Versand »Phalanx Europa« nicht ordnungsgemäß versteuert zu haben. Eigentümer sind Martin Sellner und Patrick Lenart, die beiden »Co-Leiter« des österreichischen Ablegers der IB. Aus diesem Ermittlungsverfahren gab es bereits im April Hausdurchsuchungen unter anderem in Wien, Graz und Linz.

Die jetzige Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ist dabei nicht unumstritten. Auch dezidiert antifaschistische Kommentatoren meldeten sich kritisch zu Wort. Unter anderem besteht die Befürchtung, dass künftig auch linke Organisationen mit politischen Begründungen verstärkt ins Visier der Behörden geraten könnten.

Für manche IB-Kader hingegen schließt sich aktuell ein Kreis. Denn eigentlich war eine zentrale Überlegung für die Gründung der IB der Versuch, der staatlichen Repression zu entgehen. Junge Nazi-Kader wie Martin Sellner kamen ab Anfang der 2010er Jahre zum Schluss, dass das relativ strikte österreichische NS-Verbotsgesetz ein Hemmschuh im Aufbau wäre. Dieses Gesetz zielt allerdings hauptsächlich auf den Nazi-Faschismus - der Faschismus italienischer oder französischer Prägung wird davon nicht erfasst. Durch eine innerfaschistische Umorientierung sollte die Gefahr staatlicher Verfolgung umgangen werden. Sellner bekennt diese Überlegungen im Jahr 2014 freimütig in einer Abhandlung unter dem Titel »Geständnis einer Maske«.

Indirekt gerät durch die behördliche Verfolgung der IB nun auch aber die FPÖ ins Visier. Vor allem in Graz, der Hauptstadt der Steiermark, sind die Verbindungen eng. So besteht etwa eine Kooperation zwischen der IB, dem rechten »Institut für Staatspolitik« (IfS) in Deutschland rund um den Rechten Götz Kubitschek sowie dem »Freiheitlichen Akademikerverband Steiermark« (FAV), einer Vorfeldstruktur der FPÖ. Auch das Vereinslokal der IB in Graz ist im Besitz eines FPÖ-Gemeinderats.

Wann das Verfahren gegen die völkische Gruppierung stattfindet, ist noch nicht bekannt, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft dem »nd« mitteilte. Laut dem Sprecher sind 16 Männer und eine Frau angeklagt, Namen werden nicht bekannt gegeben. Im Visier der Behörden dürften aber unter anderem die Eigentümer von »Phalanx Europa« stehen, also Sellner und Lenart. Dazu kommen vermutlich auch die Mitglieder der drei österreichischen Vereine der sogenannten Identitären Bewegung und einige weitere zentrale Kader.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.