Geldvergabe im Hinterzimmer
Im Nordosten fließen Fördermittel ohne Mitsprache des Parlaments - LINKE klagt
Voltigiersportler sollen Geld für die Anschaffung eines Pferdes bekommen, Ringer für den Kauf einer Matte, Fußballer für Spielerkabinen. Beispiele für viele Vorschläge, was man mit Steuergeldern im Nordosten machen kann. Mit Haushaltsüberschüssen, die Mecklenburg-Vorpommerns SPD/CDU-Regierungskoalition in dem von ihr gebildeten »Strategiefonds« gebunkert hat. Über die Verteilung der 26 Millionen Euro, die darin für sogenannte Leuchtturmprojekte lagern, befindet allein der Finanzausschuss. Ohne Diskussion der Vergabe im gesamten Landtag und hinter verschlossenen Türen, denn die Sitzungen jenes Gremiums sind nicht öffentlich.
Die Verteilung der Steuergelder ohne Beteiligung des Parlaments sei verfassungswidrig, betont die Linksfraktion. Sie stützt diese Auffassung auf ein Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters und Professors für Finanzrecht an der Universität Halle Michael Kilian. In seiner Expertise zum Strategiefonds bekundet der Rechtswissenschaftler: »Über Mehreinnahmen muss, der Budgethoheit folgend, das Plenum selbst entscheiden. Es darf deren Verwaltung nicht dem Finanzausschuss überlassen.«
Die LINKE will sich diese Auffassung nun vom Landesverfassungsgericht in Greifswald bestätigen lassen und wird dort eine entsprechende Klage einreichen. »Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Parlaments und wird seit Bestehen des Strategiefonds mit Füßen getreten«, rügt die finanzpolitische Sprecherin der Fraktion, Jeannine Rösler, die derzeitige Praxis. Der Landtag habe nicht nur das Recht der Budgethoheit, sondern auch die Pflicht, dieses auszuüben. Im Strategiefonds, der jedes Jahr aufs Neue aus den Haushaltsüberschüssen gespeist werde, liege Geld, das SPD und CDU der Verfügungsgewalt des Parlaments entzogen haben, so Rösler.
Dieses Geld ist nach Ansicht von Simone Oldenburg, Vorsitzende der Linksfraktion, »eine reine PR-Maßnahme« der Regierungsfraktionen. »Seit Wochen ziehen Abgeordnete von SPD und CDU, wahlweise auch die Ministerinnen und Minister sowie die Ministerpräsidentin, übers Land und verteilen mal mehr, mal weniger großzügig Geschenke aus dem Fonds«, moniert die Abgeordnete. Bewegt würden die Koalitionäre dabei von der Überlegung, »wie gewinne ich meinen Wahlkreis auch bei der nächsten Landtagswahl?«, konstatierte die Fraktionschefin vor Journalisten.
Über die Projekte, die aus dem Strategiefonds bedacht werden, einigten sich die Politiker der Koalitionsfraktionen »im Hinterzimmer«, sagte Oldenburg und: »Glück hat der Antragsteller, der einen einschlägigen Abgeordneten kennt, besser noch mit einem befreundet ist. Dann steigen die Chancen auf eine Förderung aus dem Fonds.« Eine Gleichberechtigung von Antragstellern gebe es nicht. Das ganze Vergabeverfahren sei derart undurchsichtig, »dass der Grundsatz der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit nicht gewahrt bleibt«, unterstreicht Simone Oldenburg.
Die Regierungskoalition möge das Gutachten von Professor Kilian ernst nehmen und »die rechtswidrige Mauschelei und Trostpflasterpolitik umgehend beenden«, appelliert die Linksfraktion an SPD und CDU. Die wiederum sehen den Gang der LINKEN zum Gericht gelassen, so ist aus ihren Reihen zu hören. Ähnlich äußerten sich seitens der Landesregierung auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Innenminister Lorenz Caffier (CDU) mit Blick auf die zu erwartende Verfassungsklage.
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