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Wirkung auch aus der Opposition heraus

Linksfraktion seit zehn Jahren in Hessens Landtag vertreten - zum Feiern kam auch Andrea Ypsilanti von der SPD

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.

»Wir sind gekommen, um zu bleiben«, hatten sich die frisch gewählten Abgeordneten auf die Fahnen geschrieben, als sie im Februar 2008 bei der Landtagsverwaltung anklopften und erste Räumlichkeiten für die Aufnahme ihrer parlamentarischen Arbeit zugeteilt bekamen. Der Einzug der sechsköpfigen Linksfraktion in das Landesparlament war von der rechtskonservativen CDU und vielen Medien mit Argwohn und Sorge betrachtet worden. Davon zeugten damals »Enthüllungen« über einen vermeintlichen »Linksradikalismus« des jüngsten Fraktionsmitglieds Janine Wissler und antikommunistisch motivierte Zwischenrufe aus den Reihen der CDU-Fraktion im Plenum.

All dies prallte an den Neulingen ab. Sie ließen sich nicht zermürben. Dreimal in Folge zog die sechsköpfige Fraktion mit Ergebnissen knapp über der magischen Fünf-Prozent-Hürde in identischer Zusammensetzung in den Landtag ein. Durch den Mandatsverzicht von zwei Mitgliedern sind inzwischen zwei Nachrücker zum Zuge gekommen. Für den nächsten Urnengang Ende Oktober setzt die Partei auf ein deutlich stärkeres Ergebnis.

Das Selbstbewusstsein angesichts der Tatsache, als einziger Landesverband der erst 2007 gegründeten Partei in einem größeren westdeutschen Flächenland zehn Jahre lang ununterbrochen mit Fraktionsstärke im Landtag zu sitzen, war bei der Feier am Mittwochabend im Landtagsfoyer zu spüren. Die Fraktionsvorsitzende Janine Wissler erinnerte an Errungenschaften, die ohne Präsenz ihrer Fraktion nicht zustande gekommen wären - so etwa die Abschaffung von Studiengebühren im Sommer 2008, die Einrichtung eines NSU-Untersuchungsausschusses, das frühzeitige Beharren auf Abschaffung von Kita-Gebühren oder die über Jahrzehnte verschleppte Aufdeckung der NSDAP-Mitgliedschaft von über 80 früheren Landtagsabgeordneten. »Wir zeigen Wirkung auch aus der Opposition heraus«, so ihr selbstbewusstes Fazit.

Mit den Worten »Hallo, liebe Genossinnen und Genossen«, begrüßte die SPD-Landtagsabgeordnete und ehemalige SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti »alle, die noch an eine Veränderung der herrschenden Verhältnisse glauben«. Mehr noch als die neue Linksfraktion stand sie vor zehn Jahren bundesweit im Rampenlicht, weil sie als SPD-Spitzenkandidatin und Vertreterin einer etwas linkeren Nach-Schröder-SPD einen unerwarteten SPD-Wahlerfolg verbuchte und sich nach langem Tauziehen anschickte, eine rot-grüne Minderheitsregierung mit Tolerierung durch die Linksfraktion zu bilden. Ihre bange Frage, ob sie sich bei der geheimen Wahl im Plenum auf die unbekannten Neulinge in der Linksfraktion stützen könne, sei damals »offensichtlich an die falsche Adresse« gegangen, so Ypsilanti im Rückblick auf eine »kurze aufregende Zeit« 2008. Tatsächlich hatte sich die LINKE zu einer Wahl Ypsilantis als Regierungschefin durchgerungen. Ausgebremst und sabotiert wurde die Ablösung der CDU-Alleinregierung unter Roland Koch damals von vier rechts-sozialdemokratischen Abweichlern und der SPD-Bundesspitze. Ypslilanti blieb fortan einfache Abgeordnete in der dritten Reihe. Sie diagnostizierte der bundesdeutschen Gesellschaft »neue Mauern« der sozialen Ausgrenzung und bekannte sich im Sinne des französischen Schriftstellers Albert Camus zu einer »organischen Intoleranz gegenüber jeder Ungerechtigkeit« und zu einem »Auftrag, es den Mächtigen wieder schwer zu machen«. Auch nach ihrer Zeit als Abgeordnete werde sie sich der mühsamen Aufgabe widmen, Brücken und Netzwerke zu bauen, so Ypsilanti, die bei vielen Zuhörern auf Zustimmung stieß. »Die bekommt hier mehr Beifall als in ihrer eigenen Partei«, so ein aufmerksamer Zuhörer gegenüber »nd«.

An die enttäuschten Hoffnungen im Jahr 2008 erinnerte auch der langjährige GEW-Landeschef Jochen Nagel. Dass SPD, LINKE und Grüne damals der geschäftsführend amtierenden CDU-Alleinregierung die Abschaffung von Studiengebühren aufzwangen, habe bundesweit ausgestrahlt und in anderen Ländern Nachahmung gefunden. »Ihr habt die Gegenbewegung organisiert«, bescheinigte er der LINKEN, die eine jahrelange Protestbewegung aktiv unterstützt hatte. Auch in vielen anderen Fragen wie der Ablehnung der Schuldenbremse als Bestandteil der Landesverfassung hätten seine Gewerkschaft und die Linksfraktion stets an einem Strang gezogen, so Nagel, der seinen Eintritt in die Linkspartei bekannt gab. »Wenn einer deutschen Linksfraktion revolutionäre Realpolitik gelingt, dann seid ihr das«, bescheinigte die aus Berlin angereiste Parteivorsitzende Katja Kipping den Hessen eine erfolgreiche Arbeit. Sie würdigte vor allem deren außerparlamentarischen Einsatz bei den Dresdener Massenprotesten gegen Neonazi-Aufmärsche und den Frankfurter Blockupy-Protesten. »Wie schafft ihr es, so effizient zu sein?«, fragte sie.

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