- Politik
- Streit um Katalonien
Torra ernennt inhaftierte und Exil-Politiker zu Ministern
Spanische Zentralregierung spricht von einer »Provokation« durch den neuen katalanische Regionalpräsident
Barcelona. Der neue katalanische Regionalpräsident Quim Torra hat Madrid mit der Auswahl der Minister seiner künftigen Regierung herausgefordert. Torra unterzeichnete am Samstag in Barcelona ein Dekret zur Bildung der Regionalregierung, von deren Mitgliedern derzeit zwei in Haft sitzen und zwei im belgischen Exil leben. Die spanische Zentralregierung sprach von einer »neuen Provokation«. Die Zulässigkeit von Torras Personalentscheidungen werde nun geprüft.
Torra, der am Montag mit knapper Mehrheit zum neuen katalanischen Regionalpräsidenten gewählt und am Donnerstag vereidigt worden war, nominierte unter anderem Jordi Turull und Josep Rull als Kabinettsmitglieder. Beide sitzen in der Nähe von Madrid in Haft. Ihre Anwälte forderten die vorübergehende Freilassung ihrer Mandanten, damit sie am kommenden Mittwoch ihr Amt antreten könnten.
Es geht nicht ohne zivilen Ungehorsam
Núria Alcaraz im nd-Interview über die Regierungsbildung in Katalonien und den langen Weg zur Republik
Zwei andere Wunschkandidaten von Torra, Toni Comín und Lluis Puig, waren zusammen mit dem ehemaligen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont nach Belgien geflohen und halten sich weiterhin dort auf.
Die Zentralregierung in Madrid kann die Regierungsbildung in Barcelona blockieren: Sie ist es, die die Kabinettsliste im Amtsblatt veröffentlicht, damit die Regionalregierung ihre Arbeit aufnehmen kann. Damit würde automatisch die Zwangsregierung durch Madrid aufgehoben.
In einer Erklärung hob die Zentralregierung hervor, dass mehrere von Torra ausgewählte Politiker auf der »Flucht vor der Justiz oder in Haft« seien. Die Regierung werde nun die Zulässigkeit von Torras Personalentscheidungen prüfen. Die Chefin der oppositionellen Partei Ciudadanos in Katalonien, Inés Arrimadas, forderte Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy via Twitter auf, unter diesen Umständen Katalonien weiter unter die Kontrolle der Zentralregierung zu stellen.
Torra hatte vor und nach seiner Wahl betont, dass er Puigdemont als den wahren Chef der katalanischen Regierung ansehe und dieser das Amt so bald wie möglich zurückerhalten solle. Während der kurzen Zeremonie zu seiner Vereidigung schwor der 55-Jährige, den »Willen des katalanischen Volkes« umzusetzen.
Zur spanischen Verfassung und dem Autonomiestatut für Katalonien bekannte sich Torra hingegen nicht. Außerdem wurde bei der Vereidigungszeremonie nur eine katalanische Flagge gezeigt. Vorgeschrieben sind hingegen auch eine spanische Flagge sowie das Porträt von König Felipe VI.
Madrid hatte Ende Oktober die direkte Kontrolle über Katalonien übernommen und die von Puigdemont geführte Regionalregierung ihres Amtes enthoben, nachdem das Parlament in Barcelona KataloniensUnabhängigkeit erklärt hatte. Mit Torras Wahl zum Regionalpräsidenten ging in Katalonien ein halbes Jahr ohne eigene Regierung zu Ende.
Der Politneuling gilt als ebenso überzeugter Unabhängigkeitsbefürworter wie der in Berlin im Exil lebende Puigdemont. Vor seiner Vereidigung bot Torra dem spanischen Regierungschef Mariano Rajoy immerhin ein persönliches Treffen ohne Vorbedingungen an.
Zahlreiche Anführer der Unabhängigkeitsbewegung sitzen im Gefängnis oder befinden sich wie Puigdemont im Exil. Madrid wirft Puigdemont und anderen »Rebellion« im Zusammenhang mit den Bestrebungen zur Loslösung von Spanien vor. Die spanische Gesetzgebung sieht dafür bis zu 30 Jahre Haft vor. Die deutsche Justiz muss noch über eine mögliche Auslieferung Puigdemonts an Spanien entscheiden. AFP/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.