Stellvertreterkonflikt in Jemen

Iran und Saudi-Arabien kämpfen um Kontrolle am Eingang zum Roten Meer

  • Oliver Eberhardt, Tel Aviv
  • Lesedauer: 3 Min.

Wo und wann der Zyklon, der sich über dem Indischen Ozean zusammen braut, auf das jemenitische Festland treffen wird, können Meteorologen noch nicht sagen: »Wir wissen aber, dass der Sturm über mehrere Tage mehrere hundert Liter an Regenfällen pro Quadratmeter mit sich bringen wird«, sagt ein Sprecher des UNO-Sondergesandten für den Jemen, Martin Griffiths. Man hoffe darauf, dass vor allem die wenig besiedelten Wüstenregionen in Richtung Oman betroffen seien. Denn alles andere würde eine riesige Katastrophe inmitten einer riesigen Katastrophe bedeuten.

Denn in der Küstenprovinz Hodeida, die seit 2015 von den Huthi-Milizen kontrolliert wurden, haben Truppen der international anerkannten Regierung von Präsident Abed Rabbo Mansur al Hadi mit einer Offensive begonnen. Unterstützt durch Luftangriffe des saudischen Militärs hat man seit Dezember einige kleinere Städte und Dörfer erobert und rüstet sich nun zum Angriff auf die Hafenstadt Hodeida, über die ein Großteil der Hilfsgüter geliefert wird. Amnesty International und die Vereinten Nationen werfen den Hadi-Truppen vor, Landminen und Sprengfallen einzusetzen, die vor allem den Handlungsspielraum der Huthi-Milizen begrenzen sollen. Das betrifft aber vor allem die Zivilbevölkerung, Zehntausende seien von ihren Dörfern und Städten abgeschnitten. Zudem versuchten immer mehr Menschen, Hodeida, die viertgrößte Stadt des Landes zu verlassen, weil sie mit massiven Bombenangriffen rechnen, heißt es aus dem Büro Griffiths‘.

Noch in der vergangenen Woche hatte er versucht, beide Seiten wenigstens in Sachen in Hodeida an den Verhandlungstisch zurück zu bringen. Sein Vorschlag: Die Provinz solle unter Kontrolle der Vereinten Nationen gestellt und zur kriegsfreien Zone erklärt werden, damit ungehindert Hilfsgüter dorthin gebracht werden können, wo sie gebraucht werden. Denn sollte es zu möglicherweise Monate langen Kämpfen um die Stadt kommen, würde es nahezu unmöglich, die Menschen im Norden des Jemen, also jenem Gebiet, das am Stärksten von Kämpfen, Hunger und Krankheiten betroffen ist, effektiv mit Hilfsgütern zu versorgen.

Doch Präsident Hadi und die von Saudi-Arabien dominierte Militärallianz lassen keinen Zweifel daran, dass aus ihrer Sicht »Verhandlungen sinnlos« sind, so ein Sprecher Hadis. Denn vor allem in Saudi-Arabien sieht man den Krieg gegen die Huthi-Milizen nun verstärkt als Feldzug gegen den iranischen Einfluss in der Region. Nachdem US-Präsident Donald Trump Mitte des Monats die amerikanische Beteiligung am Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt hatte, geht die saudische Regierung davon aus, dass sich die islamische Republik verstärkt darum bemühen wird, eine Basis im Jemen zu schaffen. In den vergangenen Wochen wurden immer wieder Raketen aus dem Jemen auf Saudi-Arabien abgeschossen, die stets abgefangen wurden. Dies sei ein deutliches Zeichen, dass der Iran seine Unterstützung für die Huthi verstärkt habe, so saudische Regierungssprecher. Die iranische Regierung bestreitet dies, doch goss Ali Dschafari, Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, Öl ins Feuer, als er am Sonntag in einer Ansprache die Huthi als »unsere Leute« bezeichnete und sagte: »Ihr Freiheitskampf verdient unsere Unterstützung mit allem, was wir haben.«

Ein Sprecher des saudischen Kronprinzen und de facto Herrschers Mohammad bin Salman erklärt indes: »Äußerungen wie diese sind ein Beweis dafür, dass wir im Jemen die freie Welt verteidigen.« Er verweist auf die besondere geografische Lage Hodeidas am Eingang zum Roten Meer: »Sollte der Iran dort eine Basis aufbauen, hätte man die direkte Kontrolle über die Schifffahrtsroute von Asien nach Europa«, so der Sprecher.

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