Pilotprojekt im Brennpunkt

SPD öffnet ein Quartierbüro in Friedrichshafen und will frühere Wähler zurückgewinnen

  • Oliver von Riegen, Ludwigshafen
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einem bundesweiten Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz will die SPD verloren gegangene Wähler zurückgewinnen. Das am Sonnabend offiziell eröffnete Quartierbüro in Ludwigshafen kann nach Ansicht von SPD-Landeschef Roger Lewentz ein Modell für die Partei in ganz Deutschland werden. Ein Ziel: Vertrauen zurückgewinnen, wo Rechtspopulisten stark sind. «Es ist für uns ein Versuchslabor. Wir gehen im wahrsten Sinne wieder dorthin, wo es für uns schwierig ist», sagte Lewentz. Die Arbeitslosigkeit in dem Viertel im Stadtteil Gartenstadt liegt bei rund zehn Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 kam die SPD dort auf 29,5 Prozent der Zweitstimmen - deutlich weniger als 2013. Die AfD erhielt überdurchschnittliche 18,9 Prozent.

«Die Gartenstadt in Ludwigshafen war mal SPD-Hochburg», sagte Lewentz. «Wir haben uns von Milieus verabschiedet. Wir wollen wieder lernen, welche Herausforderungen es gibt und wie wir das in Politik übersetzen können.» Das Quartierbüro soll Begegnungsstätte, Nachbarschaftszentrum und Anlaufstelle bei Problemen sein - kein Parteibüro. Es ist in einem früheren Laden der Drogeriekette Schlecker untergebracht, die 2012 insolvent ging. «Wenn wir das in Ludwigshafen in einer industriellen Arbeiterstadt zum Erfolg führen können, kann das natürlich auch für andere Städte wie Dortmund oder Duisburg ein Vorbild sein», sagte Lewentz.

Die Idee zum Quartierbüro, das seit Januar offen ist, hatte der rheinland-pfälzische SPD-Generalsekretär Daniel Stich. «Wir wollen unser Kümmer-Image zurückgewinnen und konkret unterfüttern», sagt er. Das Büro bietet Hilfen - so für Behördengänge und Schuldnerberatung sowie Kindernachmittage und Ferienbetreuung. Das Projekt wird vom SPD-Bundesverband mit einem «hohen fünfstelligen Betrag» unterstützt. Die Kosten liegen bei 100 000 Euro im Jahr.

Die SPD muss das Ohr nach Ansicht von Landeschef Lewentz wieder mehr an die Basis legen. «Ich bin fest davon überzeugt, dass eine SPD nur nach vorne kommt, wenn sie das Markenzeichen hat: SPD verbessert Lebensumstände und Lebenschancen», sagte Lewentz. «Das ist der ganz große Anspruch, den man vielleicht ein Stück verloren hat. Hinhören ist ein Teil des Lernprozesses.» Im ARD-«Deutschlandtrend» kam die Partei zuletzt auf 17 Prozent. Das Institut gms sah sie nur bei 16 Prozent. Im ZDF-«Politarometer lag die SPD noch bei 20 Prozent.

Lewentz forderte baldige Schritte der Erneuerung, warnte aber vor Panik. »Wir haben erkannt, dass es nicht so weitergehen kann auf Bundesebene, wie es in den vergangenen 15 Jahren gelaufen ist.« Für die Erneuerung müssen SPD-Chefin Andrea Nahles und ihr Team aber auch Zeit bekommen. »Panik ist keine Lösung. Zu lange warten darf aber auch keiner. Die Erneuerung muss sichtbar werden.«

»Als Partei der Arbeit müssen wir neue Antworten auf die großen Fragen der Zeit, wie etwa den digitalen Wandel, finden«, sagte die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende und rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die ebenfalls an der Eröffnung am Sonnabend teilnahm, laut Mitteilung. »Dabei ist es wichtig, zu wissen, welche Themen den Menschen ganz konkret unter den Nägeln brennen.« Die Erneuerung der SPD könne nur im Dialog funktionieren. Sie sei stolz, dass in Rheinland-Pfalz mit dem Quartierbüro ein bundesweites Leuchtturmprojekt gestartet worden sei. Sie werde die Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Quartierbüro auch auf Bundesebene weitertragen und für das Projekt in der Partei werben, sagte Dreyer. dpa/nd

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