Seehofer muss sich in BAMf-Affäre erklären
Innenminister wird von Bundestagsausschuss befragt / Erneuter Abschiebeflug nach Afghanistan
Bundesinnenminister Horst Seehofer will wegen der Affäre um mutmaßlich manipulierte Asylentscheidungen Änderungen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vornehmen. »Ich werde in der nächsten Woche Entscheidungen über organisatorische und gegebenenfalls auch personelle Konsequenzen treffen«, sagte der CSU-Vorsitzende der »Mittelbayerischen Zeitung«. Die Vorgänge hätten das Vertrauen in das BAMF beschädigt. Seehofer kündigte an, dass Vorkehrungen getroffen werden, »damit rechts- und regelwidrige Asylverfahren verhindert werden können«.
Anlass für die Ankündigungen Seehofers sind Ermittlungen gegen die frühere Leiterin der Bremer BAMF-Außenstelle sowie gegen fünf weitere Beschuldigte. Die Leiterin soll 1200 Menschen ohne ausreichende rechtliche Grundlage Asyl bewilligt haben. Aus internen E-Mails soll laut Medienberichten hervorgehen, dass das BAMF schon frühzeitig Hinweise erhalten hatte, aber an der Aufklärung nur mäßig interessiert war. Sollte sich dies bestätigen, wird BAMF-Chefin Jutta Cordt verstärkt unter Druck geraten.
Zudem wird Seehofer erklären müssen, seit wann er etwas von den Vorgängen wusste. Vonseiten seines Ministeriums hieß es, dass der Bayer erst am 19. April von den Fällen erfahren habe. Das bezweifeln manche Oppositionspolitiker. Am Dienstag hieß es von Mitgliedern des Bundestags-Innenausschusses, dass sich das Gremium kommende Woche in einer von den Grünen beantragten Sondersitzung erneut mit der Affäre beschäftigen wird. Seehofer habe sein Kommen zugesagt.
Ob auch ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, ist in der Opposition weiterhin strittig. Dieses Gremium würde nach langwierigen Befragungen erst in zwei Jahren konkrete Ergebnisse vorlegen. Eindeutig positiv hatten sich bisher nur AfD und FDP zu einem möglichen Ausschuss geäußert. Es liegt nahe, dass sie diesen als Bühne nutzen wollen, um weitere Verschärfungen in der Flüchtlingspolitik zu fordern.
Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisierte hingegen, dass in der derzeitigen Diskussion »kaum jemand von den zahllosen ablehnenden Fehlentscheidungen des BAMF, gerade bei afghanischen Flüchtlingen, redet«. In 61 Pozent der Fälle werden entsprechende Ablehnungen von Gerichten korrigiert.
Am Dienstagabend sollte ein weiterer Abschiebeflug nach Afghanistan starten. Pro Asyl forderte, bis auf Weiteres auf solche Rückführungen unter Zwang zu verzichten. Die Sicherheitssituation, besonders in der Hauptstadt Kabul, habe sich nochmals dramatisch verschlechtert, sagte Burkhardt. Viele Ablehnungen basierten »auf veralteten Herkunftsländerinformationen, mit der Fiktion, es gäbe sichere Gebiete« in Afghanistan.
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