- Politik
- Nahost-Konflikt
Zank um die Anklagebank
Palästinenser verlangen: Weltstrafgericht muss jetzt gegen Israel ermitteln
Der palästinensische Außenminister Riad al-Maliki war eigens nach Den Haag gereist, um am Dienstag vor der versammelten Weltpresse einen Stapel Unterlagen an Fatou Bensouda, Chefanklägerin des Weltstrafgerichts, zu übergeben. Doch die gambische Juristin, seit 2011 im Amt, und ebenso lange erprobt im Widerstand gegen Versuche, sie auf die eine oder andere Seite zu ziehen, nahm die Unterlagen hinter verschlossenen Türen an.
Nachdem Palästina bei den Vereinten Nationen zum Nichtmitgliedsstaat aufrückte, wurde man 2015 auch Vertragsstaat des Weltstrafgerichts. Und als solcher hat die palästinensische Regierung nun Bensouda aufgefordert, ein Ermittlungsverfahren gegen Israel einzuleiten: Die palästinensische Regierung wirft Israel »Kriegsverbrechen« und »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« vor. Dabei beruft man sich auf die »rechtswidrige Tötung von unbewaffneten palästinensischen Demonstranten«, die Zerstörung der Häuser von Attentätern, sowie den Siedlungsbau in Ost-Jerusalem und im Westjordanland. »Dieser Fall ist ein Test für die Glaubwürdigkeit der internationalen Justiz,« sagte Maliki.
Doch Bensouda ließ kurz darauf in einer Stellungnahme mitteilen; dass offen sei, ob auch tatsächlich Ermittlungen eingeleitet werden. Zunächst sei zu prüfen, ob die Vorgaben des Römischen Status erfüllt sind, das die Arbeit des Weltstrafgerichts regelt.
Und ob der israelisch-palästinensische Konflikt in dieses Mandat fällt, ist umstritten: 123 Staaten haben das Römische Statut unterzeichnet; Israel gehört nicht dazu und argumentiert dementsprechend, dass man damit auch nicht in die Zuständigkeit des Weltstrafgerichts fällt. Die palästinensische Regierung indes vertritt den Standpunkt, dass Vergehen, die von Israelis auf palästinensischem Boden begangen wurden, durchaus in die Zuständigkeit des Gerichts fallen, weil Palästina eben Vertragsstaat ist.
Israels Regierung indes hält den palästinensischen Beitritt zum Weltstrafgericht für ungültig: Palästina sei von den UN nicht als Staat anerkannt; Bensouda entschied indes 2015, dass der Status als sogenannter Nichtmitgliedsstaat ausreicht. Sie wird im Vorverfahren auch Fragen entscheiden müssen, die seit langem Gegenstand von Resolutionen sind wie Grenzverläufe und der völkerrechtliche Status der Siedlungen.
Auch wenn vor allem Letzteres eindeutig scheint, wird Bensouda ihre Entscheidung mit entsprechenden Dokumenten untermauern müssen, deren Auslegung und/oder völkerrechtliche Bedeutung oftmals ebenfalls umstritten ist; im Laufe der Zeit hat vor allem die israelische Rechte mit Nachdruck daran gearbeitet, eigene Interpretationen von UNO-Resolutionen zu schaffen.
Aber erst dann, wenn diese Fragen geklärt sind, wird entschieden werden, ob Ermittlungen eingeleitet werden. Und so konzentriert sich Israels Regierung nun darauf, den Palästinensern vorzuwerfen, das Gericht für einen »politischen Feldzug« zu missbrauchen, so das Außenministerium. Während ein Sprecher Malikis betont, dass man den Antrag auf Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erst jetzt eingereicht habe, weil die eigenen Juristen Zeit brauchten, um die notwendigen Unterlagen zusammenzustellen, wirft Israels Regierung den Palästinensern vor, man wolle die internationale Gemeinschaft unter Druck setzen.
Gleichzeitig ist man aber mit Angriffen auf das Weltstrafgericht zurückhaltend: »Bensouda ist eine Juristin, deren Integrität über jeden Zweifel erhaben ist,« sagt David Liba‘i, der in den 90er Jahren unter Jitzhak Rabin Justizminister war: »Sollte es Ermittlungen geben, kann man damit rechnen, dass auch die Rolle der Hamas auf den Prüfstand gerät, und das ist für Israel eine Chance, ohne selbst beitreten zu müssen.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.