Polizei tötet zehn Demonstranten
In Indien protestieren Umweltaktivisten seit Monaten gegen eine Kupferschmelze
Im der südindischen Hafenstadt Thoothukud schwelt der Protest seit Monaten, zum Hundertsten Protesttag ist er eskaliert: Trotz Versammlungsverbots gingen am Dienstag wieder Tausende Demonstranten für die Schließung einer Kupferschmelzfabrik der Vedanta Gruppe auf die Straße. Sie werfen den Verantwortlichen des Sterlite Kupferwerks vor, die Luft und das Grundwasser zu verschmutzen und damit für unzählige Krankheitsfälle verantwortlich zu sein. Nicht erst seit der Wirtschaftsfreundlichen Politik des Premiers Narendra Modi stoßen derlei Proteste in ganz Indien regelmäßig auf taube Ohren der Behörden.
Zwar stellte der Oberste Gerichtshof im Jahr 2013 fest, dass die Kupferschmelze die Umwelt verschmutze, aber die anschließende Geldstrafe viel äußerst gering aus. Auch unabhängige Beobachter sehen den Grund für die unverhältnismäßige Milde des Gerichtes darin, dass Indiens Wirtschaft Kupfer dringend braucht. Als die Polizei den Demonstrationszug an einer Kreuzung stoppte, entlud sich die aufgestaute Wut einiger Demonstranten. Es flogen Steine, die Polizei antwortete mit Tränengas, worauf Polizeiwagen in Brand gesetzt wurden.
Am späten Nachmittag hatte die Polizei die Lage wieder unter Kontrolle. Etliche Demonstranten liegen noch mit Schussverletzungen im Krankenhaus, zwei davon in kritischem Zustand. Etwa 40 Polizisten wurden ebenfalls zur ärztlichen Behandlung eingeliefert. 50 Motorräder und acht Fahrzeuge wurden zerstört oder verbrannt. Auch kam es von Seiten der Demonstranten zu Angriffen auf Journalisten - wobei scheinbar das vorrangige Ziel war, die Speicherkarten der Kameras der Berichterstatter zu beschlagnahmen.
Unter welchen Umständen die zahlreichen Schüsse der Polizei abgegeben wurden, ist noch nicht geklärt, jedoch kommt es in Indien regelmäßig zu Toten bei Demonstrationen. Erst im März dieses Jahres wurden bei Protesten der Dalits (die Unberührbaren) in Delhi zehn Menschen von der Polizei erschossen. »Dass sich die Polizei nicht anders zu helfen weiß, als auf Demonstranten zu schießen, sagt viel über den Stand unserer Demokratie aus,« sagt Wilfred d’ Costa, Vorsitzender des Forums für Soziale Aktion Indien, und setzt hinzu: »Doch der Hauptfehler liegt nicht bei den überforderten und schlecht ausgebildeten Polizisten Vorort. Er liegt darin, dass unsere Regierungsverantwortlichen Wirtschaftswachstum für wenige brachial durchdrücken und dabei Umweltzerstörungen sowie Erkrankungen für Millionen von Indern in Kauf nehmen.« Die Verschmutzungen, die die Kupferschmelze in Thoothukud anrichtet, sind seit 20 Jahren bekannt. Die Zentralregierung hat der Sterlite Fabrik eine Sondergenehmigung ausgestellt, dass sie ihre veralteten und niedrigen Schornsteine weiterhin benutzen darf.
Jedes Jahr sterben in Indien etwa 2,5 Millionen Menschen an der Folgen von Luftverschmutzungen. Dazu sind alle großen indischen Flüsse schwer verdreckt, viele gelten als biologisch Tod.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.