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  • Rassismus-Vorwurf gegen KFC

Rauswurf wegen schwarzer Hautfarbe?

Video zeigt Polizeikontrolle in Fast-Food Restaurant in Berlin / Kritiker: Bei schwarzen Menschen wird mit »unterschiedlichen Maßstäben gemessen«

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 6 Min.
Wenn die Polizei plötzlich am Tisch steht - Szene aus dem Facebook Video zum Rauswurf einer Gruppe schwarzer Touristen bei Kentucky Fried Chicken in Berlin.
Wenn die Polizei plötzlich am Tisch steht - Szene aus dem Facebook Video zum Rauswurf einer Gruppe schwarzer Touristen bei Kentucky Fried Chicken in Berlin.

Ist die Anwesenheit einer Gruppe schwarzer Menschen in einem Restaurant ein Grund zur »Beunruhigung?« So jedenfalls sahen es offenbar die Gäste eines Kentucky Fried Chicken Restaurants in Berlin. Das Ergebnis dieser »Beunruhigung« war ein Polizeieinsatz, der zum Rauswurf einer Gruppe afrokaribischer Touristen aus der KFC-Filiale am Alexanderplatz führte. Ein Video der Aktion verbreitete sich in den letzten Tagen im Internet und ist Gegenstand hitziger Diskussionen in den sozialen Netzwerken.

Was war passiert? Es war das Wochenende des Karnevals der Kulturen. Neben Berliner Besuchern und Touristen aus anderen Landesteilen besuchen das fröhliche multikulturelle Fest mittlerweile auch viele Menschen aus anderen Teilen der Welt, wie der Karibik, wo der Karneval das wichtigste kulturelle Ereignis des Jahres ist. Die Chance Karneval nicht nur im Februar in Trinidad oder im August beim Notting Hill Karneval in London zu feiern, wollte sich eine Gruppe von acht Freunden aus Grenada und Trinidad nicht entgehen lassen. Noch am Montagmorgen tanzten sie wie viele andere unbeschwert auf einer der vielen Aftershow-Parties, die in der ganzen Stadt bis in die frühen Morgenstunden in zahlreichen Clubs stattfanden. Das zeigt ein Facebook-Video der Gruppe.

»Einfach rassistisch«?

Wenige Stunden später, kurz vor ihrer Abreise, zeigt ein weiteres Video eine sehr viel ernstere Situation. Die Gruppe sitzt an einem Tisch der Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken am Alexanderplatz, vor ihnen stehen junge Polizisten, die sie zum Verlassen des Fast Food Restaurants auffordern. Die Gruppe müsse jetzt gehen, sagen die Beamten immer wieder. Man verzehre nur das gekaufte Essen und habe dafür bezahlt, antworten die schwarzen Touristen wiederholt und ruhig. Vor ihnen liegen Burgertabletts und Soft-Drink Becher.

Eine Frau aus der Gruppe filmt die komplette Interaktion, »zu unserer Sicherheit« erklärt sie. Dahinter steckt offenbar die Furcht vor der Polizei. In den USA etwa haben Handyvideos von Polizeikontrollen in vielen Fällen Übergriffe von Polizeibeamten dokumentieren können, die Frau erhofft sich offenbar Schutz durch die Kamera. Immer wieder fordern die Beamten die Gruppe unnachgiebig auf, das Filmen zu unterlassen und das Lokal zu verlassen, mit dem Pfefferspray in der Hand.

So richtig sagen können oder wollen sie zunächst nicht, warum sie gerufen wurden. Schließlich sagt ein Beamter, man habe einen Anruf bekommen. »Ich kenne meine Rechte«, beschwert sich eine Frau aus der Gruppe, als diese widerwillig den Beamten aus dem Lokal folgt. Vor der KFC-Filiale erklärt sie, nun gehen zu wollen. Der Polizist jedoch will die Personalien kontrollieren und »die Situation klären«. »So klärt man keine Situation. Sie vertreten hier nur eine Seite. Das nennt man Rassismus«, protestiert ein Mitglied der Gruppe.

Anschließend erteilen die Beamten der Gruppe offenbar einen Platzverweis. »Das ist einfach rassistisch«, empört sich die Frau und veröffentlicht das Video auf Facebook. Dort wurde es mittlerweile 260.000 Mal angesehen und mehrere Tausend mal geteilt, zunächst vor allem von schwarzen Nutzern aus der Karibik und der karibischen Community in den USA und Großbritannien - mittlerweile auch von deutschen Nutzern. Auffällig dabei ist zum einen die Empörung auf afrokaribischer Seite und das sich viele anscheinend deutsche Nutzer auf das formale Hausrecht berufen und keinen Rassismus erkennen können.

Mit Essen geworfen?

Grenadians Being Removed By Police From A KFC In Berlin

»Wir haben gelacht und geredet, wie andere Menschen im Restaurant auch, ein Mitarbeiter hat uns dann aufgefordert ruhig zu sein«, erklärte die Urheberin des viralen Videos gegenüber dem Journalisten Mickey Hutchinson zu den vermeintlichen Gründen des Rauswurfs. Der Journalist von der Karibikinsel Grenada hatte das Video für die Gruppe veröffentlicht. Gegenüber der »Welt« erklärte ein Betroffener aber, die Gruppe sei als einzige aufgefordert worden still zu sein und sie seien als einzige im Restaurant schwarz gewesen, rassistische Schmähungen habe es jedoch nicht gegeben. Der Vorwurf mit Essen geworfen zu haben sei »eine Lüge«. Auf den Vorschlag aus der Gruppe die Bilder der Überwachungskamera zu überprüfen sei nicht eingegangen worden.

Es habe einen Notruf wegen »15 randalierenden Personen« gegeben, erklärte die Pressestelle der Berliner Polizei gegenüber »nd«. Ein KFC-Mitarbeiter habe der kurz darauf eintreffenden Präsenzstreife erklärt, eine Personengruppe hätte »im Laden mit Essen um sich geworfen, das Personal vollgepöbelt« und wolle den Laden nicht verlassen. Man habe der sich »lautstark« unterhaltenden Gruppe »ruhig« die polizeiliche Maßnahme erklärt und sie aus dem Laden geleitet. Wegen widerwilligem Verhalten habe man dann »Durchsuchungsmaßnahmen nach Dokumenten« angedroht, diese aber wieder eingestellt, als der KFC-Filialleiter erklärte auf eine Anzeige verzichten zu wollen. Einen Strafantrag will die Polizei aber stellen wegen des Filmens der Interaktion, dies verletze die informationelle Selbstbestimmung der Beamten. Den »Vorwurf des Rassismus« weise man entschieden zurück.

»Beunruhigt« wegen Anwesenheit schwarzer Menschen?

Einige Besucher des Restaurants hätten sich durch das »unverhältnismäßig laute« Verhalten der Gruppe »beunruhigt« gefühlt, erklärt dagegen KFC in einer Stellungnahme gegenüber »nd«. Man habe versucht mit der Gruppe zu sprechen, dann aber die Polizei rufen müssen. Generell müsse man nur »selten« vom Hausrecht Gebrauch machen, auch in der Filiale am Alexanderplatz. In einer Stellungnahme gegenüber »Vice« weist KFC die Diskriminierungsvorwürfe der Betroffenen zurück, als internationales Unternehmen distanziere man sich von »jeglicher Form des Rassismus«.

»Offenbar wird nach wie vor mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen«, sagt Tahir Della von der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) dem »nd«. Vermutlich seien auch weiße Menschen am Karnevalswochenende »laut« gewesen. »Treten schwarze Menschen in Gruppen auf, wird uns schnell unterstellt wir würden Raum einnehmen, was bei weißen Mitbürgern so nicht der Fall ist«, sagt Della. Das sei eine Erfahrung, die viele schwarze Menschen machen, die Empörung der Gruppe sei durchaus nachvollziehbar. Della kritisiert auch KFC. Die Mitarbeiter der Fast-Food Kette könnten durchaus bei unberechtigten Beschwerden von Gästen entscheiden, nicht die Polizei zu rufen. Das bestätigt das Unternehmen auch selbst – offenbar entschied man sich aber trotzdem anders.

Einschüchterung schwarzer Menschen

Die Kontaktversuche von »nd« mit den Betroffenen blieben bis Donnerstagmittag erfolglos. Die Frau, die das Video veröffentlicht hat und auch andere Mitglieder der Gruppe wollten »nicht mit der Presse reden«, erklärt Journalist Mickey Hutchinson gegenüber »nd«. Hintergrund sind offenbar auch berufliche Gründe bei den Betroffenen, die nicht von ihren Arbeitgebern identifiziert werden wollen.

Tahir Della dagegen will reden. Der Rassismus-Vorwurf der Betroffenen sei richtig, denn Diskriminierung funktioniere auch ohne Intention, unterbewusst eben. Für ihn ist der Vorfall ein Beispiel dafür, wie schwarze Menschen durch Polizeiaktionen und im öffentlichen Raum eingeschüchtert würden. Die Polizisten hätten durchaus anders handeln können, als sie vor Ort sehen, dass die Gruppe nicht ausfallend oder laut ist.

Unverständlich sei auch, warum die Polizei auch die Personalien der Gruppe kontrollierte, das sei zur Durchsetzung des Hausrechts von KFC nicht nötig, aber eben möglich. In Berlin können Polizisten an sogenannten »kriminalitätsbelasteten Orten« anlasslose Kontrollen durchführen. Della und die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland fordern deswegen die Abschaffung der kriminalitätsbelasteten Orte.

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