- Politik
- BAMF-Chefin Jutta Cordt
Politische Süppchen mit Giftanteil
BAMF-Chefin Cordt gerät unter Druck, auch das Innenministerium sieht sich in Nöten
Geprüft wird derzeit, ob ein Verdacht besteht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen die Chefin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Jutta Cordt, aufgenommen. Sie soll früher als bisher angenommen von Unregelmäßigkeiten in der Bremer Außenstelle gewusst haben. Einen internen Bericht habe sie nicht weitergeleitet. In einer Art Dominoeffekt reihen sich nun die Attacken gegen BAMF, aber auch gegen das Bundesinnenministerium. Unrechtmäßige Asylbescheide sind der Grund für hysterisch an die Wand gemalte Szenarien, in denen angeblich massenhaft, freihändig und unrechtmäßig Asyl in Deutschland verteilt wird. Die politische Absicht ist offensichtlich und spiegelt die Realitäten in keiner Weise wider.
Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD), orakelte am Donnerstag, dass Cordt sich am Ende auf ihrem Posten nicht werde halten können. Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf hatte am gleichen Tag einen Gesprächstermin mit Cordt und sah offenbar die Gelegenheit als günstig an, der Behördenleiterin die Meinung zu geigen, was die Zusammenarbeit mit den Verwaltungsgerichten angeht, auf deren Tisch jene Fälle landen, in denen Asylbewerber gegen für sie ungünstige Bescheid klagen. Bekannt ist, dass eine erhebliche Zahl von Bescheiden auf diesem Wege kassiert wird, ohne dass die daraus ablesbare mangelnde Qualität der Asylverfahren bisher je zu einem solchen Sturm der Entrüstung geführt hätte wie jetzt der Bremer Fall. Auch Wolf ficht das nicht an, er verlangt bessere Prognosen über Fallzahlen vom Amt.
Die Entscheidung über eine Abberufung Jutta Cordts, die im Februar 2017 ihr Amt antrat, liegt bei Bundesinnenminister Horst Seehofer. Dieser dürfte alarmiert sein, auch deshalb, weil die Vorwürfe inzwischen sein eigenes Haus erreichen. Nicht nur Jutta Cordt habe vier Monate lang einen internen Bericht nicht weitergeleitet. Auch der Parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) habe danach Minister Seehofer nicht informiert. Als Seehofer Anfang April das Bundesamt besuchte und dessen Arbeit in höchsten Tönen lobte, wusste er nicht, dass er dem Loblied womöglich weniger Euphorie hätte verleihen sollen. Für Innenminister Pistorius ist dies jedenfalls ein ernsthaftes Problem, er sprach von »sehr merkwürdigen und unprofessionellen Vorgängen.«
Die Bundestagsparteien haben ihren eigenen Part, die Vorgänge politisch zu instrumentalisieren. Die Forderung nach einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, erhoben bisher von AfD und FDP, ist ein Wink mit dem angeblichen »schärfsten Schwert« des Parlamentarismus. Vor allem die LINKE scheint darüber ins Schlingern zu geraten. Wie bisher auch die Grünen, hat der zuständige Arbeitskreis Innenpolitik der Linksfraktion sich einhellig gegen einen Untersuchungsausschuss ausgesprochen. Einen Fraktionsbeschluss gibt es hierzu bisher nicht, nun allerdings erste Stimmen, die vorsichtig für einen Untersuchungsausschuss sprechen. Fraktionsvize Sevim Dagdelen, Vertraute von Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, äußerte sich entsprechend. Wenn der Auftritt von Seehofer und Cordt am nächsten Dienstag im Innenausschuss des Bundestages keine Aufklärung bringe, müsse »auch über einen Untersuchungsausschuss geredet werden«, so Dagdelen.
Ulla Jelpke, Innenpolitische Sprecherin und Mitglied des Innenausschusses, hält von einem Untersuchungsausschuss in diesem Fall gar nichts. Der sei nur »Wasser auf die Mühlen der rechten Hetzer von der AfD und der in ihrem Fahrwasser segelnden Lindner-FDP«. Aufklärung sei so kaum zu erwarten. Insbesondere würde sich durch einen Untersuchungsausschuss an den katastrophalen Zuständen in der Behörde nichts ändern. Genauso wichtig wie personelle Konsequenzen sei, wie man Qualitätskontrollen beim BAMF sicherstelle und garantiere, dass Asylanträge in verschiedenen Bundesländern nach gleichen Standards bearbeitet werden. Immerhin: Das BAMF kündigte inzwischen an, bei Stichproben von Asylbescheiden künftig nicht nur positive, sondern auch negative auf ihre Plausibilität zu prüfen.
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