Luftfahrtmesse will sich am Flughafenrand halten
Mancher Experte hatte die ILA bereits abgeschrieben, doch jetzt macht sich das Land Brandenburg für die »wichtige Industriemesse« stark
Seit der Rückkehr der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) 1992 - nach 64 Jahren - nach Berlin-Brandenburg versucht sich die Messe als Schaufenster der Luft- und Raumfahrtindustrie auch der Region zu etablieren. Dass ausgerechnet der in unmittelbarer Nachbarschaft entstehende neue Berliner Hauptstadtflughafen durch Technikpannen enorm in Zeitverzug ist, war da sicher nicht hilfreich. Aber seit dem erfolgreichen Abschluss der ILA 2018 scheint es möglich, dass dies doch gelingen könnte.
Dem Anspruch, auf Augenhöhe mit den Airshows in Paris-Le Bourget, Farnborough oder Moskau-Schukowski zu agieren, konnte die ILA indes nur schwer gerecht werden. Das änderte sich auch nicht mit dem Umzug auf das Gelände des neuen Berlin ExpoCenter Airport, das die Messe Berlin GmbH im Juli 2012 in Selchow (Dahme-Spreewald) eröffnete.
Mit den Jahren war das Interesse vor allem der Messe Berlin an dem aufwendigen, alle zwei Jahre stattfindenden Großereignis deutlich abgeklungen. Zumal sich das neue Messegelände in Selchow ansonsten nur mäßig vermarkten ließ und häufiger leer stand. Im Oktober 2017 hatte Messe-Aufsichtsratschef Wolf-Dieter Wolf der »Berliner Morgenpost« gesagt: »Es gibt die großen Messen in Frankreich und Großbritannien, niemand braucht diese Schauen mehr in Deutschland.« Die ILA sei bisher nicht wirtschaftlich, und da die Flughafengesellschaft das Gelände dringend brauche, erwarte er, dass sie »nach 2018 kein Thema mehr« sei.
Zweifel an der ILA hatte auch Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup gesät, als er im März öffentlich auf Distanz ging. Damals hatte er dem »neuen deutschland« gesagt, er könne sich Flugschauen in der gewohnten Form noch für 2018 und auch 2020 vorstellen. »Nach der Inbetriebnahme des BER ist zumindest ein ILA-Flugprogramm wie bisher nicht mehr vorstellbar«, so Lütke Daldrup mit Blick auf den ab Herbst 2020 geplanten Flugbetrieb des BER.
Mit der ILA 2018 Ende April hat sich die Haltung zu der weltweit ältesten Luftfahrtmesse - ihre Geschichte begann am 17. Oktober 1909 als Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung in Frankfurt am Main - offenbar radikal gewandelt. Grund war die unerwartet große nationale wie internationale Resonanz. So heißt es im Abschlussbericht der Veranstalter euphorisch: »Die ILA Berlin hat sich mit einer zielgerichteten Ausrichtung auf Zukunftsthemen und technische Entwicklungen zur führenden Innovationsmesse für die Aerospace-Industrie weiterentwickelt. Auf der Leistungsschau für alle Geschäftsfelder der globalen Luft- und Raumfahrtindustrie zeigten vom 25. bis 29. April rund 1100 Aussteller aus 41 Ländern ein breites Spektrum ihrer aktuellen Hightech-Produkte sowie Forschungs- und Entwicklungsprojekte.« Rund 180 000 Fach- und Privatbesucher seien an den fünf Veranstaltungstagen registriert worden.
Das seien Rekordzahlen, sagt Cornelia von Ammon, Sprecherin des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, der die ILA gemeinsam mit der Messe Berlin GmbH veranstaltet. Doch ein Hauptstadtflughafen mit Hunderten Flugbewegungen täglich und einer turbulenten Flugshow in der Nachbarschaft, geht so etwas in Zukunft? »Wir haben die älteste Luftfahrtmesse zur Innovationsmesse schlechthin entwickelt«, sagt sie. »Und wir haben für die ILA einen Messestandort, der mit seiner direkten Anbindung an den Hauptstadtflughafen perfekt geeignet ist.« Diesen Vorzug biete weder Paris, noch Farnborough oder Moskau. Nur der moderne Changi Airport in Singapur biete eine vergleichbare Kombination. Was dort funktioniere, sollte doch in Berlin auch zu schaffen sein, sagte sie. »Aus Sicht der Industrie haben wir mit der ILA weltweit ein Ausrufezeichen für ›Hightech made in Germany‹ sowie einen regional, national und international nachgefragten Besucheranziehungspunkt.«
Auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) legt sich inzwischen mit Nachdruck ins Zeug: »Es ist die einzige echte Industriemesse, die es überhaupt in Ostdeutschland gibt«, sagte er diese Woche in der rbb-Sendung »Brandenburg aktuell«. »Wir brauchen auch solche Messen, um zu zeigen, dass wir ein attraktiver Standort sind.«
Für die Weiterentwicklung der ILA als Industriemesse spricht sich auch die LINKE aus. Matthias Loehr, der wirtschaftspolitische Sprecher der Landtagsfraktion, stellt aber auch klar: »Wir haben ein Problem mit dem großen Anteil von militärischem Fluggerät und Waffen auf der ILA und treten deshalb entschieden für deren Entmilitarisierung ein.« Sorgen macht sich die Partei auch um die Belastungen, die die Schau für die Anwohner mit sich bringt, wie die Abgeordnete Anita Tack ergänzt. »Es reicht nicht aus, bei der Messe nur auf den wirtschaftlichen Effekt zu schauen.«
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