• Politik
  • Ende von "Leerstand beleben"

Besetzte Wohnungen in Stuttgart geräumt

Wohnungstüren nach Polizeieinsatz mit Brettern verschraubt / Betroffene Familien werden nun wieder in »beengten Verhältnissen« wohnen

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Die Polizei in Stuttgart hat die erste Hausbesetzung in der Stadt seit über 10 Jahren beendet. Gegen 9 Uhr morgens räumten ein Dutzend Beamte und zwei Gerichtsvollzieher zwei besetzte Wohnungen in der Wilhelm-Raabe-Straße 4 in Stuttgart-Heslach. In einer Stellungnahme teilten die BesetzerInnen mit, dass die Polizei auch wegen »Nötigung« gegen die zwei Familien ermittele, die sich die lange leerstehenden Wohnungen Ende April angeeignet hatten. Die Wohnungstüren der ehemals besetzten Wohnungen wurden mit Brettern verschraubt. Offenbar haben die Eigentümer auch einen privaten Sicherheitsdienst engagiert.

Noch am Sonntagabend hätten die Eigentümer über ihren Anwalt die Forderungen der Besetzer erfragt, berichten diese. »Das war offensichtlich eine böswillige Ablenkung«, sagt Besetzer Anton Zimmer. Gegenüber den Stuttgarter Nachrichten sagte der Anwalt der Eigentümer demnach auch, man habe sich »bis gestern Abend um eine Lösung ohne Gerichtsvollzieher mit kirchlichen Vertretern und Stadträten bemüht«. Die BesetzerInnen bezeichnen das als »Schutzbehauptung«. Man habe die Forderungen wie verlangt versandt, doch diese seien nicht kommentiert worden.

Die BesetzerInnen – eine alleinerziehende Mutter und eine junge Familie - müssen nach eigenen Angaben nun wieder in »beengten Verhältnissen« wohnen, unter anderem bei Verwandten. Die Stadt bot offenbar auch eine Unterbringung in einer Notunterkunft an. »Wir stehen jetzt nicht auf der Straße, aber das ist auch schon alles. Ich finde es eine Sauerei, dass die Stadt so tut als wäre das normaler Wohnraum, den wir jemandem 'wegnehmen' würden. Das Problem sind doch nicht die Menschen die Wohnraum brauchen, sondern die Stadt und die Spekulanten, wegen denen es kaum bezahlbaren Wohnraum gibt«, sagt Besetzerin Adriana Uda.

Für den Abend rufen die BesetzerInnen der Initiative »Leerstand beleben« zu einer Demonstration vom geräumten Haus aus durch den Stadtteil auf. »Es ging von Anfang an nicht nur um Rosevita, Adriana und ihre Familien. Es ging von Anfang an darum, auf das Wohnraumproblem aufmerksam, Widerstand dagegen sichtbar und Solidarität untereinander spürbar zu machen«, heißt es im Aufruf zur Demonstration. Die Initiative will sich auch weiterhin gegen »Wohnungsnot, Mietenwahnsinn, Verdrängung und Leerstand« engagieren.

Für Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl hingegen gilt die Parole »Wehret den Anfängen«. Man »dulde« im Land keine besetzten Häuser, sagte der CDU-Politiker der dpa. Die Räumung sei ein »klares Signal« gegen »rechtsfreie Räume« und Hausbesetzungen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.