• Politik
  • Polizeieinsatz in Connewitz

Misshandlungsvorwürfe gegen Leipziger Polizei

Wurden Jugendliche nach einer Festnahme durch Beamten malträtiert? Die »Rote Hilfe« erhebt schwere Vorwürfe

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 4 Min.

Es sind schwere Vorwürfe, die eine jüngst veröffentlichte Mitteilung der Rechtshilfeorganisation Roten Hilfe gegen die Leipziger Polizei erhebt. An Abend des 25. April haben Polizisten in dem Stadtteil Connewitz eine Gruppe von Jugendlichen aufgegriffen. Sie erwischten die Jugendlichen dabei, wie sie eine Wand mit Farbe besprühten. Die Beamten sollen mit Gewalt reagiert haben.

Die Rote Hilfe, die Menschen unterstützt, die auf Grund ihrer politischen Betätigung verfolgt werden, gibt in ihrer Mitteilung an, die Betroffenen seien noch vor Ort von den Beamten bedroht und beleidigt worden. Den Jugendlichen soll »in Bauch, die Rippen und auf den Kopf geschlagen« worden sein. Nach dem Transport in den nahegelegenen Polizei-Posten in der Wiedebachpassage im Leipziger Süden soll die Schikane weitergegangen sein. Einem »gefesselten, wehrlosen Genossen« seien unter »Friss, Friss, Friss« Rufen »Tascheninhalt, Geldscheine und ein Feuerzeug in den Mund gestopft« worden. Ein anderer »Genosse« sei auf einem leeren Stuhl kniend immer wieder »im Genick gepackt und hochgezogen« worden sein. Beschwerden, Einsprüche und Fragen nach Dienstnummern der Polizisten sollen mit »weiteren Gewaltandrohungen und Beleidigungen« quittiert worden sein.

Nach einer Identitätsfeststellung haben die Jugendlichen die Wache zwei Stunden später wieder verlassen können.

Polizeisprecher Andreas Loepki bestätigte gegenüber »nd«, dass es an besagtem Abend Festnahmen von vier Jugendlichen gegeben hat. Ebenfalls bestätigte er, dass aufgrund eines Schreibens seitens einer Rechtsanwältin, welche einen der beschuldigten Jugendlichen vertritt, interne Ermittlungen gegen die beschuldigten Beamten aufgenommen worden sind. Die Vorwürfe seien aber laut Loepki »zu allgemein« um eine Suspendierung der Polizisten zu rechtfertigen. Die Mitteilung der Roten Hilfe bezeichntete Loepki gegenüber »nd« als unseriös. Er würde dem Verein »jedwede Objektivität absprechem«.

Der Polizeiposten in der Wiedebachpassage, in dem die Jugendlichen misshandelt worden sein sollen, ist seit seiner Einführung umstritten. Anwohner klagen gegenüber »nd« über eine »zunehmende Überwachung im Kiez«.

Jona, ein Sprecher der Roten Hilfe Leipzig beschrieb die Situation auf »nd«-Nachfrage in dem Leipziger Stadtteil Connewitz als »aufgeheizt«. »Seit Jahren steht das Viertel unter Generalverdacht. Das so etwas in dieser Stimmung passiert ist tragisch, aber es kommt für uns nicht gänzlich überraschend«.

Die Solidaritätsorganisation unterstütze die Jugendlichen, die alle unter sechzehn Jahre alt sind, nach den Geschehnissen. Nach den Vorkommnissen habe man eine intensive Diskussion darüber geführt, ob und in welcher Form man mit den Ereignissen an die Öffentlichkeit gegen sollte. Die Angst war groß, dass die Polizei mit Gegenanschuldigungen antwortet und eventuell ein Verfahren wegen Verleumdung eröffnet. Deshalb ist auch bisher noch keine Anzeige von den Betroffenen wegen Körperverletzung eingegangen. »Vor Gericht haben solche Verfahren unserer Erfahrung nach wenig Aussicht auf Erfolg«, meint Jona gegenüber »nd«.

Tatsächlich ist in Sachsen die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete wegen Körperverletzung im Amt so hoch wie noch nie, während sich die Zahl der tatsächlichen Anklagen auf einem historischen Tief befindet. Nach Angaben des Justizministeriums erhöhte sich 2016 die Zahl der Ermittlungsverfahren im Vergleich zum Vorjahr um 55 Prozent von 274 auf 425 Beschuldigte, die Zahl der vor Gericht angeklagten Fälle aber sank von vier auf drei Prozent.

Letztlich habe aber für die Rote Hilfe überwogen, dass man die Öffentlichkeit über die Geschehnisse informieren wollte. »Da sind Jugendliche festgenommen worden, nur um sie zu verprügeln, da muss jetzt ein politischer Aufschrei kommen«, sagte Jona gegenüber nd.

Die Polizei sieht scheinbar tatsächlich Handlungsbedarf. In einem Schreiben, dass »nd« vorliegt, fordert der »Staatsschutz Dezernat 5« Anwohner dazu auf, Anzeige zu erstatten, wenn ihre Häuser durch Graffiti »beschädigt« worden sind. In dem Schreiben werden alle vier beschuldigten Jugendlichen mit ihrem vollen Namen genannt. Polizeisprecher Loepki rechtfertigt das Vorgehen, da es sich in dem Fall um ein Antragsdelikt handelt, dem grundsätzlich nur auf Antrag des Geschädigten nachgegangen werden kann.

Darüber, was die Jugendlichen am Ende gesprüht haben sollen, machen Polizei und Rote Hilfe unterschiedliche Aussagen. Während die Polizei vermeldet, die Sprayer hätten »Kill Cops« an die Wand gemalt, sprich die Rote Hilfe von »mobilisierenden Parolen gegen den Naziaufmarsch am 1. Mai in Chemnitz«.

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