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In der Schockstarre

Zweitägiger SPD-Landesparteitag startet am Freitag in angespannter Situation

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

»Genervt.« Hört man sich derzeit unter Sozialdemokraten in der Hauptstadt nach ihren Befindlichkeiten um, bekommt man vielerorts diese Antwort. Die SPD-Mitglieder haben gleich mehrere gute Gründe, um von ihrer Partei genervt zu sein. Da wären zum einen die miesen Umfragewerte. Aktuellen Zahlen zufolge liegen die Sozialdemokraten in Berlin derzeit bei rund 17 Prozent - und sind damit erstmals hinter die beiden Koalitionspartner LINKE und Grüne zurückgefallen. Zum anderen wären da die seit gefühlt Jahr und Tag tobenden internen Machtkämpfe, die die Partei in einen Zustand der Schockstarre versetzt haben.

Protagonisten des Machtgerangels sind der Regierende Bürgermeister und SPD-Landesvorsitzender Michael Müller auf der einen Seite und Fraktionschef Raed Saleh auf der anderen. Neben durchaus inhaltlichen Differenzen geht es bei dem Dauerzwist viel um Persönlichkeiten, Machtwille, Eitelkeiten. »Wir haben in unserer Partei viele engagierte und junge Leute, die keinen Bock auf diesen lähmenden Personalstreit mehr haben«, bringt es die Berliner Juso-Chefin Annika Klose auf den Punkt.

Womit man bei einem weiteren Grund angekommen ist, warum man als Sozialdemokrat genervt sein kann. Müller macht als Regierender und Parteichef schon seit langem keine gute Figur. Mit den Koalitionspartnern liegt er sich vor allem wegen der Mieten- und Wohnungsbaupolitik in den Haaren, das Klima innerhalb des Dreierbündnisses ist schlecht.

Parteiintern werfen Funktionäre Müller einen unkommunikativen und intransparenten Führungsstil vor. Und das Dramatischste: In der für die Sozialdemokraten in Berlin und deutschlandweit schwierigen Situation, die nach Erneuerung schreit, gehen von Müller keinerlei Zukunftsimpulse für die Hauptstadt-SPD aus, finden viele Genossen.

Und nun ist es dieser Müller, der sich auf dem zweitägigen Landesparteitag am Samstag als Vorsitzender zur Wiederwahl stellt. Alternativlos. Einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Denn Müller gilt trotz aller Kritik nach wie vor als stabilisierender Anker in unruhiger See. Konkurrent Saleh hat seinerseits keine Hausmehrheit hinter sich. Damit bleibt das einzig Spannende bei der Chefwahl: Wie niedrig fällt die Zustimmung für Müller aus? Alles unterhalb von 70 Prozent - also mehr als zehn Punkte weniger als bei der Wahl 2016 - wäre eine bittere Pille für ihn.

Wenigstens verspricht der ebenfalls am Samstag neu zu wählende Landesvorstand neue Gesichter. Neben den bisherigen und wieder antretenden Vizevorsitzenden, Innensenator Andreas Geisel, der Marzahn-Hellersdorfer Kreisvorsitzenden Iris Spranger und der Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler, kandidieren die Abgeordnete Ina Czyborra und der Amtsrichter Julian Zado für den Vorstand. Während Czyborra wie auch Geisel und Schöttler als Unterstützer Müllers gelten, ist Spranger kritisch und eher dem Lager von Fraktionschef Saleh zuzuordnen. Zado, der sich als Parteilinker versteht, möchte sich explizit keiner der beiden Gruppen zuordnen. »Grundsätzlich haben wir als SPD die richtigen Positionen für die Stadt«, sagt Zado. Als neuer Vizechef will er sich für mehr Wohnungen, bessere Qualität in den Kitas, bessere Schulen und einen zuverlässigen ÖPNV einsetzen.

Dafür bekommt der 31-jährige Zado die Rückendeckung von den erneuerungshungrigen Jusos. »Wir sind von der Gesamtlage genervt. Wir brauchen endlich die inhaltliche Auseinandersetzung um die Zukunft der SPD«, sagt Jungsozialistin Klose. Mit dieser Forderung kandidiert sie für die Berliner Kandidatenliste für die Europawahl 2019, die am Freitag auf dem Landesparteitag gewählt wird. Elf Kandidaten treten an. Neben Klose ist die von Müller unterstützte DGB-Europaexpertin Gabriele Bischoff Favoritin. Die Wahl wird spannend. Nicht nur wegen der Frage, wer Chancen bekommt, in Zukunft in Brüssel Politik zu machen, sondern auch mit Blick auf Samstag. Je nachdem, wer gewinnt und wer verliert, geht es mit Optimismus beziehungsweise Wut im Bauch in die Vorstandswahl.

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