• Politik
  • Wachschützer-Gewalt gegen Geflüchtete

Alles nur Einzelfälle?

LINKE-Politikerin Ulla Jelpke geht von hoher Dunkelziffer aus und fordert unabhängige Beschwerdestellen und dezentrale Unterbringung von Geflüchteten

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Gewalt gegen Asylbewerber durch private Wachdienste in Erstaufnahmelagern und Massmissbrauch von möglicherweise rechten Wachschützern? Das interessiert uns nicht. So in etwa könnte man die Antwort der Bundesregierung auf eine LINKEN-Anfrage zum Thema zusammenfassen, die »nd« vorliegt. Man habe Kenntnisse von »Einzelfällen« erklärt die Regierung. Insgesamt sind das 9 Vorfälle von 2014 bis 2017. Sie finden sich in Antworten auf frühere Informationsersuchen der Linkspartei. Auch Verbindungen von Flüchtlingsunterkunft-Wachdiensten zu Rechtsextremisten sind Berlin nur in »Einzelfällen« bekannt.

Übergriffe der Wachschützer seien aber »nicht isolierte Ausreißer, sondern ein strukturelles Problem«, krititisiert LINKE-Politikerin Ulla Jelpke. Denn: Aktivisten und Journalisten haben deutlich mehr Vorfälle dokumentiert. Alleine die Antirassistische Initiative (ARI) hat in einer Chronik 16 Vorfälle für das Jahr 2015 aufgelistet und 12 für 2016, die Zählung zum vergangenen Jahr liegt noch nicht vor. Laut Jelpke haben Medien weitere Fälle »systematischer Misshandlungen von Bewohner*innen« recherchiert.

Doch das ist laut Jelpke vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Die Politikerin geht von einer »hohen Dunkelziffer« bei Übergriffen von Wachschützern auf Geflüchtete aus: »Die Unterbringung von Schutzsuchenden in isolierten Lagern öffnet dem Machtmissbrauch durch Wachpersonal Tür und Tor.« Dadurch, dass sich viele Geflüchtete in einer »Abhängigkeitssituation« befänden und auch, weil sie durch private Wachschützer unter Druck gesetzt würden, dies nicht zu tun, gebe es wenige Beschwerden. Auch Unwissen über ihre Möglichkeiten und »negative Erfahrungen mit der Polizei« würden dabei eine Rolle spielen. Jelpke fordert deswegen unabhängige Beschwerdestellen für Geflüchtete.

Doch in Berlin sieht man »kein grundsätzliches Sicherheitsproblem« beim Einsatz von privaten Wachschützern. Passend dazu: Seit 2014 hat sich die Innenministerkonferenz nicht mehr mit dem Thema beschäftigt. Damals waren in deutschen Medien Bilder aufgetaucht, die viele an das Foltergefängnis Abu Ghraib erinnerten. Sie zeigen einen gefesselten Mann, auf dem Boden liegend, mit einem Fuß im Gesicht. In einer Flüchtlingsunterkunft im nordrhein-westfälischen Burbach hatten Wachschützer den Geflüchteten gefesselt, gedemütigt und misshandelt.

2016 wurde dann das sogenannte »Bewachungsrecht« verschärft. Demnach müssen alle Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste, die Geflüchtetenunterkünfte bewachen durch den Verfassungsschutz überprüft werden. Doch diese Vorschrift tritt erst am 01. Januar 2019 in Kraft. Auch ein »Bewacherregister« ist derzeit noch in Vorbereitung. »Die Behebung dieser Missstände erreicht man nicht mit der Einrichtung eines zentralen Bewachungsregisters, sondern durch die Abschaffung des Lagersystems und die dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen«, kritisiert dagegen LINKE-Politikerin Jelpke.

Die Bundesregierung nehme »Schikanen, Machtmissbrauch und Übergriffe seitens des Wachpersonals als Teil ihrer Abschreckungspolitik gegenüber Schutzsuchenden billigend in Kauf,« so interpretiert Jelpke die Antwort der Regierung.

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