»Thema verfehlt« und gewonnen

Fast 100 Gäste lauschten bei Tropenwetter den zehn schönsten Lesergeschichten

  • Heidi Diehl
  • Lesedauer: 7 Min.

Die Gewitterwolken vom Nachmittag hatten längst vor der gleißenden Sonne kapituliert, als am Mittwochabend die Abschlussveranstaltung des 16. nd-Lesergeschichten-Wettbewerbs begann. Rund 100 Gäste waren trotz tropischer Temperaturen ins nd-Gebäude gekommen, um die - nach Meinung der Jury - zehn schönsten Geschichten zu hören. »Lebe Deinen Traum!«, so lautete diesmal das Motto. 95 Leserinnen und Leser fühlten sich davon angesprochen und erzählten uns ihre Traum-Geschichten. So unterschiedlich diese sind, alle wurden mit viel Herzblut geschrieben. Entsprechend schwer war es dann auch für die Jury, sich für zehn zu entscheiden. Doch wie sich schnell herausstellte, hatte sie wohl ein ganz glückliches Händchen bei der Auswahl - zumindest zeigte das die Reaktion der Zuhörer. Deren Gefühlswelt wechselte im Laufe des Abends ständig: von andächtigem Zuhören über köstliches Amüsieren bis hin zu Tränen, die sich so manch einer heimlich aus den Augen wischte.

Diese Abschlussveranstaltung hatte einige Besonderheiten im Vergleich zu den 15 vorausgegangenen. Es fing damit an, dass diesmal keine Promis als Vorleser im Podium saßen, sondern Menschen aus Redaktion und Verlag des »nd«: Heidi Diehl, Reiseredakteurin und zuständig für den Lesergeschichtenwettbewerb, und Olaf Koppe, Verlagsleiter und von Anfang an großer Fan des Wettbewerbs.

Die zehn besten Geschichten des 16. nd-Lesergeschichten-Wettbewerbs und ein Sonderpreis

Nach der Begrüßung, einer organisatorischen Einführung in die Abschlussveranstaltung des 16. nd-Lesergeschichten-Wettbewerbs durch  sowie einer Grußbotschaft von Robby Clemens per Film (siehe unten) aus Ecuador haben der Verlagsleiter Olaf Koppe und die Reiseredakteurin und Lesergeschichtenwettbewerb-Erfinderin Heidi Diehl folgende Geschichten verlesen (hier in der Reihenfolge des Vorlesens):

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Alle Geschichten am Stück.

Die Jury, bestehend aus allen Besuchern der Veranstaltung, wählte zu den Preisträgern der ersten drei Plätze: Ludwig Stern (Platz 1), Werner Laube (2), Lisa Dokutschajew (3). Die Preisträger konnten aus drei Reisen wählen. Linda Schöttler erhielt einen Sonderpreis – ein Gutschein für ein Konzert – für die Idee, eine Geschichte im Dialekt vorzulegen. Viel Vergnügen den Preisträgern.

Der Grund für die innerbetriebliche Lösung war nicht, dass wir diesmal keine Profis fanden, sondern hatte - zumindest in meinem Fall - sehr viel mit dem Thema des Wettbewerbs zu tun. Denn: Als Kind träumte ich davon, eines Tages die Bretter, die die Welt bedeuten, zu erobern. Wenn daraus auch nichts wurde, worüber ich heute ganz froh bin, so reifte doch von Wettbewerb zu Wettbewerb der Wunsch, irgendwann selbst einmal die schönsten Geschichten lesen zu dürfen. Deshalb nahm ich in diesem Jahr das Motto wörtlich und lebte meinen Traum. Und Olaf Koppe hatte schon einmal, nämlich beim 14. nd-Lesergeschichten-Wettbewerb, mit großem Erfolg den schönsten Geschichten seine Stimme gegeben.

Das schaffte er auch diesmal wieder spielend und konnte sogar noch einen draufsetzen. Denn: Bevor wir mit dem Vorlesen anfingen, kündigte er - etwas geheimnisvoll - eine Überraschung im Laufe der Veranstaltung an. Ehe das Geheimnis gelüftet wurde, überraschte er die Zuhörerinnen und Zuhörer erst einmal selbst. Dass diese von jetzt auf gleich den gerade noch sehr deutlich Sprechenden nicht mehr verstehen konnten, schob der eine oder andere anfangs vielleicht noch auf die Hitze im Saal, die an der Konzentration nagte. Doch schnell war klar: Das Wettertief »Wilma« hatte damit rein gar nichts zu tun - die Verständigungsschwierigkeiten waren darauf zurückzuführen, dass Olaf zum Platt übergegangen war. Aus gutem Grund, kündigte er doch damit die Überraschung an: Linda Schöttler aus Templin. Die 17-Jährige hatte sich nämlich mit einer Geschichte in uckermärkischem Platt an dem Leserwettbewerb beteiligt. Zur Begründung schrieb die Gymnasiastin (zum Glück) auf Hochdeutsch dazu: »Vor ein paar Jahren bin ich auf den Plattdeutsch-Verein ›Heidstruk‹ aus Templin aufmerksam geworden. Da ich diese alte Sprache sehr interessant finde, habe ich mich dazu entschlossen, sie gemeinsam mit meinem Bruder zu erlernen. Ich habe schon ein paar Geschichten auf Plattdeutsch verfasst. Meine Letzte passt gut zu dem diesjährigen Wettbewerbsthema.«

»Drömerien«, so der Titel ihrer Geschichte. Weil wir uns nicht blamieren wollten, baten wir Linda, sie selbst vorzulesen. Was sie souverän tat und dafür vom Publikum viel Beifall und von »neues deutschland« einen Sonderpreis erhielt. Dennoch möchte ich noch anmerken, dass Olaf Koppe zwar nicht ganz so vokabelsicher wie Linda war, sich aber zu aller Verwunderung sehr wacker geschlagen hat. Chapeau!

Viele der Gäste im Saal machten sich eifrig Notizen, während wir beide auf der Bühne abwechselnd die Geschichten vorlasen. Sie nahmen ihre Jurorenaufgabe sehr ernst. Denn schließlich waren sie ja nicht nur da, um sich unterhalten zu lassen, sondern um am Ende Punkte zu vergeben, die über die Platzierung der einzelnen Geschichten entscheiden. Als dann die »Zählkommission« die Stimmzettel einsammelte, bekam sie von vielen zu hören, dass sie sich diesmal besonders schwer mit der Wertung getan hätten. So hoch sei das Niveau gewesen.

Am Ende aber standen die drei Sieger fest. Die meisten Stimmen hat Ludwig Stern aus Potsdam bekommen für seine Geschichte »Wer zum Wandern geboren, taugt nicht zum Gärtnern«. Fast triumphierend jubelte er und schaute zu seiner Lebensgefährtin. Denn in einem Anschreiben zu seiner Geschichte hatte er vermerkt: »Als ich diesen Beitrag dem heutigen ›Traum meiner schlaflosen Nächte‹ zur Beurteilung vorlegte, meinte sie: ›Als ehemalige Lehrerin würde ich sagen: Thema verfehlt!‹« Das meinten die Gäste im Saal ganz und gar nicht, sondern amüsierten sich prächtig über Ludwig Sterns erfüllten Traum von der eigenen Scholle, der sich im Laufe der Jahre in einen Albtraum verwandelte. Zu einem solchen wird die »Siegprämie«, eine Reise für zwei ins luxuriöse Hotel Karner Hof am Faaker See im österreichischen Kärnten, ganz bestimmt nicht. Und ich gehe mal davon aus, dass der glückliche Gewinner trotz aller Unkenrufe seine bessere Hälfte mit dorthin nimmt.

Werner Laube aus Berlin hat seit jeher ein Faible für den hohen Norden. Seine Geschichte »Mein Traum von Spitzbergen« erzählt davon, wie er sich den Jugendtraum im reifen Mannesalter endlich erfüllte. Wenngleich sich Olaf Koppe, der sie vorlas, redlich Mühe gab, einen Hauch von arktischer Kälte in den tropischen Münzenbergsaal zu transportieren, gelang ihm das nicht so recht. »Klärchen« draußen vor dem Fenster ließ sich einfach nicht austricksen. Die Zuhörer aber auch nicht, sie zogen sich in ihrer Fantasie eine dicke Mütze über den Kopf und gingen mit Werner Laube auf Expeditionsreise ins ewige Eis.

Was ihnen in großer Mehrheit außerordentlich gut gefiel. Deshalb punkteten sie den »Reiseleiter« auf den zweiten Platz. Der Autor entschied sich für eine Reise für zwei nach Büsum ins Hotel »Zur Post« mit der Bemerkung: Dorthin zu fahren, war mein Traum! Wen wundert’s, geht es doch ganz weit in den Norden Deutschlands!

Blieb ein Reisepreis übrig für den dritten Gewinner. Noch einmal stieg die Spannung im Saal, vor allem bei jenen, deren Geschichten den Abend bestimmten. Natürlich hätte jeder gern den Gutschein für einen Kurzurlaub für zwei Personen ins Mövenpick Hotel Berlin entgegengenommen, als dann aber die Gewinnerin verkündet wurde, war die Freude bei allen Gästen des Abends ungeteilt. War es doch die mit großem Abstand jüngste Teilnehmerin des 16. nd-Lesergeschichten-Wettbewerbs, die 13-jährige Lisa Dokutschajew aus Cottbus, die mit ihrem ganzen »Familienclan« angereist war. Dieser saß vor einem Jahr schon einmal in geschlossener Formation im Saal, damals hatte es die Geschichte von Lisas Opa unter die zehn schönsten geschafft. Wer weiß, vielleicht hätte es ansonsten ihren Wettbewerbsbeitrag nie gegeben. Denn zu ihrer Geschichte »Mein neuer Freund mit Fell« hatte sie uns folgende Zeilen mitgeschickt: »Mein Opa verfolgt euern Lesergeschichten-Wettbewerb schon länger und hat mich mit seiner Begeisterung dafür angesteckt.

Letztes Jahr hat er es mit seiner Geschichte sogar unter die ersten zehn geschafft, woraufhin die ganze Familie zum Endausscheid nach Berlin fuhr. Alle diese Geschichten zu hören, hat mich dazu inspiriert, es dieses Jahr auch einmal zu versuchen.«

Also, liebe Eltern und Großeltern: Kommen Sie nie mehr allein zu den Abschlussveranstaltungen, bringen Sie ihre Kinder und Enkelkinder mit! Wer weiß, welche Talente in ihnen schlummern. Helfen Sie mit, diese zu entdecken. Der nd-Lesergeschichten-Wettbewerb ist dafür bestens geeignet, wie Sie an Lisa sehen können.

Vielleicht nimmt sie ja ihren Hund Frodo, die Hauptperson in Lisas Geschichte, mit auf die Reise nach Berlin. Auf jeden Fall aber darf Opa Werner mit, der sich über Lisas Platzierung freute, als wäre er selbst Dritter geworden.

Ein herzliches Dankeschön an alle, die sich am 16. nd-Lesergeschichten-Wettbewerb beteiligten und insbesondere an jene zehn Schreiberinnen und Schreiber, die mit ihren Geschichten für einen traumhaft schönen Abend sorgten.

Grüße Robby Clemens zum Lesergeschichten-Wettbewerb
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