Am Baum geschüttelt

Hamas und Israel schrammen in Gaza nur knapp an einem Krieg vorbei

  • Oliver Eberhardt, Jerusalem
  • Lesedauer: 4 Min.

Auch am Freitag zogen vor dem israelischen Grenzzaun, der den Gazastreifen umgibt, wieder palästinensische Demonstranten auf, aber es kamen nur wenige hundert Menschen, die sich zudem auch auf mehrere Orte verteilten. Dabei kam es erneut zu Auseinandersetzungen mit der israelischen Armee.

Seit Tagen bemühen sich Vermittler des ägyptischen Außenministeriums darum, eine noch größere Eskalation zwischen Israel und der Hamas zu vermeiden. Zu Wochenbeginn hatten mehrere palästinensische Kampfgruppen, darunter der bewaffnete Flügel der Hamas, die Essedin al Kassam-Brigaden, und der Islamische Dschihad, mindestens 120 Raketen und Granaten auf die israelischen Städte und Dörfer in der Nachbarschaft abgeschossen. Israels Luftwaffe griff Ziele im Gazastreifen an, die der Hamas und dem Islamischen Dschihad zugerechnet werden.

Menschen starben dabei nach Angaben aller Seiten nicht. Für gut 24 Stunden wurde aber der Ausbruch eines erneuten Gazakrieges befürchtet, zumal Israels Parlament gerade erst vor einigen Wochen die Entscheidung über eine Kriegserklärung allein in die Hände von Premier- und Verteidigungsminister gelegt hatte. Zuvor war es so, dass zunächst das sogenannte Sicherheitskabinett, ein kleiner Rat aus Ministern, dessen konkrete Besetzung meist politischen Erwägungen entspringt, abstimmen musste.

Doch nun sei es ausgerechnet dieses Gesetz gewesen, das eine Eskalation verhindert habe, ist sich Israels Transport- und Geheimdienstminister Israel Katz sicher. Denn schon kurz nach Beginn des Raketenbeschusses hatten mehrere Minister, darunter auch Mitglieder des Sicherheitskabinetts, eine großangelegte Bodenoffensive gefordert. Das Ziel müsse sein, die Hamas zu stürzen, forderte Justizministerin Ajelet Schaket. Hätte im Sicherheitskabinett abgestimmt werden müssen, wäre es wahrscheinlich zum Krieg gekommen.

Aber: Einem Bericht des Fernsehmagazins Uvda zufolge hatte Regierungschef Benjamin Netanjahu vor einigen Jahren versucht, einen Militärschlag gegen Iran anzuordnen, war dabei aber von Sicherheitskabinett, Militär und Geheimdiensten gestoppt worden. »An Fragen die den Iran, die Gaza betreffen, zeigt sich, wie wichtig es ist, die Sicherheitsdienste stärker einzubinden und die Politik vom Krieg zu lösen«, heißt es in einem Kommentar des Militärradios.

Nun kam es statt zum Krieg zu einem schnellen Waffenstillstand: Nur gut 24 Stunden dauerte es, bis die ägyptischen Ermittler die Hamas-Führung in Gaza dazu brachten, die Waffen ruhen zu lassen. Eine Wendung, die für viele überraschend kam, denn die gängige Lesart in der israelischen Politik war, dass Iran die Hamas militärisch und finanziell unterstützt und nach der Aufkündigung der amerikanischen Beteiligung am Atomabkommen durch US-Präsident Donald Trump auf eine Eskalation an zwei Fronten hinarbeitet, im Gazastreifen und in Libanon/Syrien.

»Die Führung Irans hat aus meiner Sicht kein Interesse an einer Eskalation«, sagt der ägyptische Botschafter in Israel, Hasem Khairat. Er glaubt, dass Iran das Abkommen retten wolle, auch ohne die USA. »Ich kann mir aber gut vorstellen, dass man in Gaza ein bisschen am Baum geschüttelt hat, um der Welt zu zeigen, was passieren könnte.«

Khairat macht dabei keinen Hehl daraus, dass die ägyptische Regierung eine israelische Bodenoffensive mit allen Mitteln verhindern will: Auf der benachbarten Sinai-Halbinsel führt das ägyptische Militär einen weitgehenden erfolglosen Krieg gegen islamistische und kriminelle Gruppen. Sollte es zu einem israelischen Einmarsch, gar zu Versuchen kommen, die Hamas zu stürzen, befürchtet man in Ägypten, dass bewaffnete Gruppen auf ägyptisches Territorium ausweichen könnten. Schon seit Jahren koordiniert und organisiert die Hamas mit den Banden auf dem Sinai den Schmuggel durch die Tunnel unter der Grenze hindurch, was zur Finanzierung der Gruppen auf dem Sinai beiträgt.

Israels Regierung betont, einen formellen Waffenstillstand gebe es nicht; vielmehr sei man dazu bereit, auf Ruhe mit Ruhe zu antworten, so ein Sprecher Netanjahus. Ein Sprecher von Jahya Sinwar, dem De-facto-Regierungschef in Gaza, erklärte indes, man habe sich auf eine Waffenruhe geeinigt. Im Gegenzug habe Ägypten zugesagt, man werde sich »für eine Lockerung der Blockade« einsetzen, die Ägypten und Israel seit 2007 über den Gazastreifen verhängt haben.

Zusagen wie diese sind bei Vermittlungsbemühungen in Gaza die Regel, auch zum Ende des Gazakrieges 2014 wurden sie gemacht. Umgesetzt werden sie aber nie. Israels Energieminister Juwal Schteinitz führt das Einlenken der Hamas deshalb auf die »harten Schläge gegen ihre Infrastruktur« und die Aussicht auf eine Bodenoffensive zurück.

Im UNO-Sicherheitsrat sind die USA indes mit der Forderung gescheitert, die Raketenangriffe auf Israel zu verurteilen. Der Entwurf sei zu einseitig, kritisierten UN-Diplomaten aus mehreren Ländern. Mehrere UN-Botschafter warfen den USA »Doppelmoral« vor, nachdem sich die US-Botschafterin Nikki Haley gegen einen Resolutionsentwurf aus Kuwait wandte, in dem eine internationale Blauhelmmission in den palästinensischen Gebieten gefordert wird.

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