Massengräber fernab der Kampfregionen

Deutschland bildet kurdische Kämpfer aus. Doch um schwere Vorwürfe gegen kurdische Sicherheitskräfte kümmert man sich offenbar nicht

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Kein Krieg ist wie der andere. Doch egal, wo wer wie schrecklich gegen wen kämpft, Kriegsverbrechen müssen untersucht und Schuldige bestraft werden. Srebrenica, wo serbische Paramilitärs im Juli 1995 rund 8000 bosnische Gefangene ermordet haben sollen, steht für eine Kultur des »Nicht-weg-Schauens«. Als in Kosovo Massaker verübt wurden, schickte Deutschland Gerichtsmediziner und Experten des Bundeskriminalamtes, um Massengräber zu öffnen, Ermordete zu identifizieren und Beweise zu sichern. Warum geschieht das jetzt nicht auch in Irak? Dort steht die Bundesrepublik in besonderer Verantwortung. Denn möglicherweise hat die Bundeswehr Waffen und Munition geliefert, mit denen von deutschen Soldaten ausgebildete Anti-IS-Kämpfer Massenmorde begangen haben.

Bereits zu Jahresbeginn hatte Human Rights Watch darüber berichtet, dass Sicherheitskräfte der kurdischen Autonomieregion in Nordirak Hunderte Kämpfer des Islamischen Staates ohne Gerichtsverfahren exekutiert hätten. Die Verbrechen sollen unter anderem im vergangenen Sommer nahe der Ortschaft Sumar geschehen sein. Die Menschenrechtsorganisation behauptet, eine Woche lang seien jede Nacht gefangene IS-Mitglieder getötet worden. Gemunkelt wird über Transporte in Kühllastern und nächtliche Einsätze von Bulldozern. Es gibt Beteiligte, die aussagen, es gibt Zeugen und zahlreiche Indizien, die von Satellitenbildern gestützt werden. Und es gibt Tote, die in Massengräbern verscharrt wurden. An den bezeichneten Orten fanden keine Kämpfe statt. Und selbst wenn - es wäre schon ein extremer Zufall, wenn alle im Kampf gefallenen Freischärler durch Kopfschüsse umgekommen wären.

Die zuständigen kurdischen Behörden taten die Vorwürfe ab. Dass beispielsweise deutsche Regierungsvertreter intensiver nachgefragt hätten, ist nicht bekannt. Doch es ist nicht so, dass Berlin sich überhaupt nicht über einstige IS-Kämpfer erkundigt, die von kurdischen Einheiten gefangen genommen wurden. Im Gegenteil, die Angst vor Terroristen, die aus Deutschland kamen, sich dem IS zur Verfügung stellten und nun möglicherweise als gefährliche Terroristen heimkehren, ist groß. 300 deutsche IS-Anhänger sind bereits zurückgekehrt, bis zu 150 sind gestorben. Die Differenz zu den knapp 1000 Männern und Frauen, die aus der Bundesrepublik in den Dschihad gezogen sind, macht Sicherheitsbehörden große Sorgen. Aus ganz EU-Europa waren etwa 5000 IS-Anhänger nach Irak oder Syrien gewechselt. Wie geht man mit denen um? Auch sie haben staatsbürgerliche Rechte. Es gab bereits Todesurteile gegen IS-Ausländer und die USA suchen intensiv Nachschub für Guantanamo.

Allein in den von den Kurden kontrollierten Gebieten in Syrien sollen - so Zahlen, die zwei Monate alt sind - rund einhundert ehemalige IS-Anhänger aus der Bundesrepublik eingesperrt sein. Man weiß von gut einem Dutzend ähnlicher Schicksale in Irak. Wie geht man damit um?

In Deutschland haben sich die zuständigen Behörden, zu denen das Bundeskriminalamt ebenso wie die Nachrichtendienste gehören, auf eine harte Linie geeinigt. Man will verhindern, dass Rückkehrer zu einer Gefahr werden. Denn sie als mögliche Gefährder im Blick zu behalten, überfordert die Ressourcen.

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD wurde vereinbart, all jenen die Staatsbürgerschaft zu entziehen, die neben der deutschen noch eine weitere besitzen. Auch will man bereits gewährte Asylrechte widerrufen. Darum müssen sich dann wohl Gerichte kümmern, so sie etwas von solchen Entscheidungen erfahren. hei

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