Spannung rund um die Golanhöhen
Syrischer Außenminister dementiert Präsenz iranischer Truppen im Südwesten
Angeblich haben sich Iran und die von Iran unterstützte libanesische Hisbollah auf Vermittlung der russischen Regierung hin dazu verpflichtet, ihre Milizionäre aus dem Südwesten Syriens abzuziehen, also jener Region, die an die von Israel besetzten Golanhöhen angrenzt. Israels Militär sei zugestanden worden, jederzeit nach eigenem Ermessen Angriffe auf Ziele in Syrien fliegen zu dürfen, so lange diese nicht in Verbindung mit der syrischen Regierung stünden.
Doch obwohl die Nachricht über das Wochenende Kreise zog: Die Quellenlage ist dünn. Sämtliche verfügbaren Informationen dazu beruhen auf Berichten der saudischen Zeitung »Al-Sharq al-Awsat«, die in London erscheint und von der saudischen Regierung finanziert wird. Dementsprechend zeigten sich israelische Militärs und Politiker am Sonntag sehr verwundert, dass ausgerechnet dieses Blatt an solch brisante Informationen herangekommen ist.
Denn: Zwar bestritt der syrische Außenminister Walid al-Muallim, dass es eine solche Vereinbarung gibt; in Syrien seien auch keine iranischen Truppen, sondern nur Militärberater stationiert, die zudem auch nicht im Südwesten des Landes aktiv seien. Doch gewisse Details lassen zumindest die Vermutung zu, dass sich außerhalb der Öffentlichkeit etwas abspielt.
So teilte die iranische Nachrichtenagentur IRNA bereits 18 Stunden vor dem Erscheinen der ersten Berichte mit, es gebe weder Gespräche noch eine Einigung in Sachen Syrien. Und in Israel wartete man mehrere Tage, bis man Militärvertreter der Verwaltungsebene erklären ließ, es gebe keine solche Einigung.
Auffallend oft sprachen auch Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Avigdor Lieberman in den vergangenen Wochen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu, und zwar drei Mal öfter als mit amerikanischen Regierungsvertretern, hat man bei der Tel Aviver Zeitung »Jedioth Ahronoth« gezählt.
Über die Zielsetzungen gibt es zwei konkurrierende Sichtweisen: Israels Regierung wolle einen Keil in die engen Beziehungen zwischen Iran und Russland treiben, kommentiert das Netanjahu sehr nahe stehende Tel Aviver Blatt »Jisrael HaJom«. Die Regierung wolle die Verbindungen Russlands dazu nutzen, um Gesprächskanäle mit Iran zu schaffen, lautet die sehr viel gängigere Interpretation israelischer Medien.
Netanjahu behauptet bei jeder gelegenheit, dass die iranischen Revolutionsgarden eine umfassende Truppenpräsenz in Syrien aufgebaut hätten; Mitte Mai hätten iranische Truppen auch eine Rakete von Syrien aus auf Israel abgefeuert. Die Luftangriffe, die Israels Militär zuletzt Mitte Mai auf Ziele in Syrien flog, hätten sich gegen Einrichtungen der Revolutionsgarden gerichtet.
Doch bestätigen lässt sich ein iranischer Aufmarsch vor Israels Haustür nicht. Stattdessen geht auch Tamir Pardo, zwischen 2011 und 2015 Geheimdienst-Chef und derzeit oft mit scharfer Netanjahu-Kritik in den Medien, davon aus, dass die Revolutionsgarden vor allem kleine Milizen ausgebildet und ausgerüstet haben, mit dem Ziel, dass diese das syrische Militär unterstützen: »Bislang werden die Gruppen von iranischen Koordinatoren unter Kontrolle gehalten. Wenn diese wegfallen, dann kann niemand sagen, was diese Milizen mit ihren Waffen anstellen werden.«
Auch deshalb hat sich ein Großteil der israelischen Politik mittlerweile mit dem Gedanken angefreundet, dass eine starke syrische Regierung trotz ihrer israelfeindlichen Haltung besser sei, als eine große Zahl von unkalkulierbaren, bis an die Zähne bewaffneten Milizen, die niemand kontrollieren kann.
Doch gleichzeitig zieht bereits neues Konfliktpotenzial auf: Geheimdienst- und Transportminister Israel Katz forderte am Sonntag erneut, die USA müssten nun, »um Iran einen diplomatischen Schlag zu verpassen«, die israelische Hoheit über die seit 1967 besetzten Golanhöhen anerkennen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.