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Schnittstelle zur rechten Ideologie

Moses-Mendelssohn-Zentrum analysierte Reden der Kundgebungen von »Zukunft Heimat«

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass der Verein »Zukunft Heimat« asylfeindlich ist, steht fest. Aber wie ticken die bis zu 3000 Teilnehmer bei den fremdenfeindlichen Demonstrationen des Vereins in Cottbus, unter denen regelmäßig Neonazis gesichtet worden sind. Muss und darf diese Protestbewegung rechtsextrem genannt werden? Dieser Frage widmet sich die Emil-Julius-Gumbel-Forschungsstelle des Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrums (MMZ) in ihren jüngsten Mitteilungen.

»Seit 2013 hat sich in der Bundesrepublik eine Bewegung formiert, die die Asyl-, Migrations- und Integrationspolitik der Bundesregierung zum Anlass für politischen Protest nimmt«, heißt es darin. In den Pegida-Demonstrationen habe sie einen ersten Höhepunkt gefunden und mit zahlreichen »Nein-zum-Heim«-Kungebungen an Breite gewonnen. 2017 sei das Protestgeschehen zwar etwas abgeflaut, allerdings zeigten Mobilisierungen wie »Kandel wehrt sich« und »Marsch der Frauen«, dass die Bewegung »weiterhin handlungsfähig ist«, meint das MMZ.

Die Erforschung dieser Protestbewegung stehe noch am Anfang. Während der Pegida-Demonstrationen seien einige Teilnehmerbefragungen durchgeführt worden, um Auskunft über die soziale Zusammensetzung der Teilnehmer zu erhalten. Doch die Aussagekraft von Untersuchungen mit Hilfe dieser bislang bewährten Methoden der Protest- und Bewegungsforschung sei umstritten. Es habe sich als besonders schwer erwiesen, belastbare Zufallsstichproben zu ziehen, und ein taktisches Antwortverhalten der Befragten habe ein verzerrtes Bild ergeben.

Das MMZ wählte jetzt einen anderen Weg. Für die Studie »Die Sprache der ›Asylkritik‹« analysierten die Wissenschaftler die bei 14 Kundgebungen von »Zukunft Heimat« in Cottbus gehaltenen Reden. 69 Ansprachen aus der Zeit 30. Mai 2017 bis 24. Februar 2018 - insgesamt neun Stunden und zwei Minuten Material - wurden ausgewertet, darunter die Reden der Vereinsvorsitzenden Christoph Berndt und Anne Haberstroh, des Pegida-Gründers Lutz Bachmann und des rechten Verlegers Götz Kubitschek.

Die Ladefläche eines Geländewagens dient »Zukunft Heimat« als Bühne. Je zwölf Mal haben die Vereinschefs Berndt und Haberstroh das Wort ergriffen und dabei wiederholt dazu aufgerufen, die AfD zu wählen. AfD-Politiker wie die Landtagsabgeordneten Andreas Kalbitz, Birgit Bessin und Sven Schröder kamen 17 Mal zu Wort. 15 Prozent Redeanteil entfielen auf Pegida-Aktivisten, sieben Prozent auf Vertreter rechtsextremer Organisationen und vier Prozent auf Leute von sonstigen asylfeindlichen Initiativen, hat das Mendelssohn-Zentrum ausgezählt.

Die Sprache der »Asylkritik« sei analysiert worden, um festzustellen, mit welchen Selbst- und Feindbildern die Demonstrationskampagne des Vereins operiert und inwiefern dabei rassistische und rechtsextreme Muster genutzt werden, erläutert Gideon Botsch vom MMZ. »Im Zentrum der Reden stehen Migration und Kriminalität, für welche die als kultur- und raumfremd dargestellten Flüchtlinge verantwortlich gemacht werden und eine Politik, die vorgeblich absichtsvoll auf die Zerstörung des deutschen Volkes ausgerichtet sei.«

Dokumentiert ist eine Äußerung von Vereinschef Berndt, Multikulti bedeute »rassische, ethnische Konflikte«, bedeute Ellenbogengesellschaft, Gewalt, Faustrecht, Anmache und Messerattacken. »Das ist Multikulti, das ist die schöne neue Welt, in die uns die Eliten steuern«, sagt Berndt

Das MMZ kommt zu dem Befund: Flüchtlinge werden in den Reden als gefährlich und kriminell, als Bedrohung besonders für Frauen dargestellt. Gründe für die Flucht werden weitgehend verleugnet, Mitgefühl werde verweigert. »Diese Sicht auf ›Fremde‹ baut auf klar rassistischen Prämissen auf.« Es gebe außerdem »erhebliche Schnittstellen zu rechtsextremen Ideologien und Denkweisen«, und der Verein »Zukunft Heimat« sei eingebettet in ein Netz »teils offen rechtsextrem auftretender Akteure«.

mmz-potsdam.de

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