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  • Ausstellung »Liebe und Revolution«

Ein Stück von der Ewigkeit

Die Ausstellung »Liebe und Revolution« beleuchtet die Beziehung zwischen Gustav Landauer und Hedwig Lachmann

  • Björn Hayer
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie viel Sanftmut kann ein Revolutionär wohl zeigen? Wie viel Verletzlichkeit lässt ein Leben im Widerstand zu? Ikonen bewegen uns gerade dann, wenn sie etwas allzu Menschliches besitzen. Einer von ihnen trägt den Namen Gustav Landauer. Wer über den geistigen Nährboden für Aufstände als politische Instrumente nachdenkt, kommt an dem sozialistischen Säulenheiligen kaum vorbei. Geboren am 7. April 1840 in der badischen Residenzstadt Karlsruhe, prägte der selbstbewusste Denker den intellektuellen Überbau einer ganzen Generation. Noch bevor später Ernst Bloch eine Philosophie der Utopie schreiben sollte, hatte Landauer mit polarisierenden Schriften zu einem friedfertigen Anarchismus sowie seinem Opus magnum »Die Revolution« (1907) ein visionäres Gesellschaftsgebäude für die Zukunft errichtet. Allerdings brachte ihm sein Engagement alles andere als Erfüllung. Für seine Ideen wurde er inhaftiert und am 2. Mai 1919 in München-Stadelheim brutal ermordet. »Alles was Glück war, ist von mir abgefallen«, schrieb er einmal.

Dass sich zwischen all diesen geistigen und politischen Kraftanstrengungen, Verwerfungen und Schicksalsschlägen dennoch Raum für eine große Liebe fand, ist erstaunlich und derzeit in einer bewegenden Ausstellung im Karlsruher »Museum für Literatur am Oberrhein« (Prinz-Max-Palais) zu bewundern. Landauers vor genau 100 Jahren verstorbene zweite Frau Hedwig Lachmann, ihrerseits Lyrikerin und Übersetzerin, etwa von Oscar Wildes »Salome«, der Vorlage für die bekannte Strauss-Oper, ist die zweite Protagonistin der Exposition. Auf übergroßen grünen Fahnen, die im gesamten Raum hängen, treffen wir auf herzergreifende Liebesbekundungen, darunter Bekenntnisse wie dieses: »Sie müssen’s schon hinnehmen, Hedwig, mein Weg zu den Ewigkeitsgefühlen führt zunächst zu Ihnen und am liebsten möcht’ ich da bleiben und ruhen«. Die einzigartige liaison d’amour versetzt den Denker buchstäblich in kosmische Höhenflüge. So schreibt er in »Skepsis und Mystik« (1903): »Die Liebe ist darum ein so himmlisches, so universelles und weltumspannendes Gefühl, ein Gefühl, das uns aus unsern Angeln, das uns zu den Sternen emporhebt, weil sie nichts anderes ist als das Band, das die Kindheit mit den Ahnen, das uns und unsere ersehnten Kinder mit dem Weltall verbindet.«

Damit man nicht ganz so rasch ins Schwelgen verfällt, bietet die Ausstellung, die überdies mit allerhand Originalausgaben, Porträts und Handschriften, zumeist aus dem Literaturarchiv in Marbach, aufwartet, ebenso einen Einblick in die besondere intellektuelle Beziehung zwischen Gustav und Hedwig. Sie tauschten sich aus über den ungebremsten Fortschritt der Moderne, deren Lärm und Orientierungslosigkeit, aber auch über die notwendige Gleichberechtigung von Mann und Frau. »Meine Frauenlogik«, so Hedwig Lachmann, »will ich gar nicht abstreifen, ich will gar nicht anders schreiben, wie eine Frau. Warum soll es nicht auch eine weibliche Eigenart des Stils geben, die Achtung verdient.« Dass Liebe nicht der immer auch mit Zersetzungserscheinungen einhergehenden Revolution entgegensteht, sondern ihrer möglicherweise sogar bedarf, könnte man als eine der wichtigsten Einsichten aus dem Gang durch diese Exposition bezeichnen. Landauer warb für den Umsturz der Verhältnisse, weil er um eine bessere Welt wusste. Er war kein Anhänger des Patriarchats, weil er den Wert der Begegnung auf Augenhöhe kannte.

Im Rahmen der Europäischen Kulturtage Karlsruhe, die in diesem Jahr Revolution zu ihrem Gegenstand haben, stellt der Beitrag des Literaturmuseums vor allem die emotionale Komponente einer jeden Erneuerungsbewegung heraus. Zwischen Fahnen und einer in der Mitte des Raumes befindlichen »Klangdusche« mit vorgelesenen Zitaten der Liebenden wandeln wir durch eine andere Zeit, die uns in ihrer Hitzigkeit und Virulenz nicht ganz fremd ist. Eindringlich nah wird sie uns in der Konzentration auf zwei Menschen, die in sich selbst einen alternativen, reinen Ort gefunden haben, ein Zentrum bedingungsloser Hingabe, eine stille Wahrhaftigkeit, die uns heute noch immer berührt.

»Liebe & Revolution. Hedwig Lachmann und Gustav Landauer zwischen Kunst und Politik«, bis zum 2. September im Prinz-Max-Palais, Karlstr. 10, Karlsruhe.

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