Aufrüstung gegen Moskau
NATO-Staaten erhöhen ihre Militärausgaben
Jens Stoltenberg klang für seine Verhältnisse fast schon beschwingt, als er zum Abschluss der NATO-Tagung am Freitag im neuen gläsernen Hauptquartier auch noch von Verbesserungen bei der militärischen Zusammenarbeit mit der Europäischen Union berichten konnte. Man habe ein »bislang ungekanntes Ausmaß an Kooperation erreicht«, so der NATO-Generalsekretär, der über »erhebliche Fortschritte« in 74 konkreten Bereichen berichtete, von der Cybersicherheit über die Terrorabwehr bis hin zu gemeinsamen Marine-Einsätzen. Im Augenblick gehe es vor allem um Fragen der Militärlogistik, erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die am Treffen teilnahm. Das bedeutet erhebliche Investitionen in Bau und Erhalt von Start- und Landebahnen, von Straßen und Brücken; aber auch Regelungen, um Kriegsgerät wie Panzer leichter durch die EU transportieren zu können - wie gerade quer durch Deutschland bei den Truppenverlegungen ins Baltikum. Im Ernstfall die richtigen Kräfte zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben - das sicherzustellen, ist laut Stoltenberg derzeit die Kernaufgabe der Allianz. Die EU-Kommission hat dieser Tage vorgeschlagen, in der nächsten Dekade 6,5 Milliarden Euro für panzertaugliche Verkehrswege auszugeben.
Lob für Berliner Ankündigung
Beiden Seiten gilt dabei Russland wieder als Erzfeind. Beim Gipfel nächsten Monat soll darüber entschieden werden, wie die Reaktionsfähigkeit des weltgrößten Militärbündnisses erheblich ausgebaut werden kann. Die Vorlage der NATO-Außenminister: 90 Verbände aus allen Teilstreitkräften - 30 Heereseinheiten, 30 Flugzeugstaffeln und 30 Schiffe oder U-Boote - so aufrüsten, dass man sie im Ernstfall binnen 30 Tagen ins Gefecht schicken kann. Dafür braucht es zudem mehr und modernisierte Führungsstäbe. Auch in Ulm soll ein neues Logistikkommando entstehen, das dann alle militärischen Truppenbewegungen innerhalb des Bündnisgebietes koordiniert. Das alles kostet. In diesem Jahr würden die Budgets der europäischen Bündnispartner und Kanadas nach ersten Schätzungen um 3,82 Prozent wachsen, so Stoltenberg; im Vorjahr waren es sogar 5,21 Prozent. Seit 2014 seien ihre Militärausgaben um fast 90 Milliarden Dollar gestiegen. Trotzdem hält der Streit um die Lastenverteilung in der Allianz an. Die USA, auf die mit über 680 Milliarden Dollar zwei Drittel der Mitgliederetats entfallen, drängen die Bündnispartner ultimativ, massiv aufzurüsten. Vor allem Deutschland ist Präsident Trump ein Dorn im Auge. Umso ungewohnter jetzt das Lob in Brüssel für die Steigerungspläne der Bundesregierung.
Transatlantische Krise
Die NATO-Staaten hatten auf dem Gipfel 2014 vereinbart, ihre Verteidigungsausgaben binnen eines Jahrzehnts »in Richtung zwei Prozent« der jeweiligen Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Die von Berlin nun versprochenen 1,5 Prozent liegen zwar weiter darunter, würden aber den Bundeswehretat von 40 Milliarden Euro auf über 60 Milliarden treiben. Ob das dem US-Präsidenten reicht, wird der Gipfel zeigen. Und die Geldfrage wird dort nicht das einzige Problem sein. Denn bei allem Süßholz musste Stoltenberg jetzt auch einräumen, dass es erhebliche »Meinungsverschiedenheiten« zwischen den Verbündeten gebe. Schon das Ministertreffen wurde von Trumps Entscheidungen überschattet, den Atom-Deal mit Iran aufzukündigen oder Strafzölle auf Stahl und Aluminium aus Europa und Kanada zu verhängen. Die transatlantische Beziehungskrise ist unübersehbar.
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