Ein Dreigestirn für den Regimewechsel?
Im 20. Jahrhundert wurde Iran vier Mal angegriffen / Nun droht der nächste Krieg
Mit dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit Iran wächst die Angst vor einem Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten. Donald Trumps fahrlässige Entscheidung wird die Vereinigten Staaten schwächen, ihren Gegnern nutzen, ihre Verbündeten entfremden, das iranische Regime stärken, die Verbreitung von Atomwaffen beschleunigen und die Welt dem Krieg näherbringen. Von all den bisherigen törichten, selbstzerstörerischen außenpolitischen Entscheidungen Trumps zeigt keine die Gefahren eines Mannes deutlicher, der aktiv gegen die Interessen seines eigenen Landes arbeitet - und die der Welt.
Die weitreichende Entscheidung des US-Präsidenten folgt einem allmählich entzifferbaren außenpolitischen Kurs, der berechenbare multilaterale Übereinkünfte, etwa das Pariser Klimaabkommen zugunsten einer Politik nationaler Egoismen grundsätzlich ablehnt. In seinem Bemühen, die Macht der USA wiederherzustellen, umringt er sich mit kriegerischen Berater*innen, die für einen von außen erzwungenen Sturz missliebiger Regierungen eintreten, gern gepaart mit einem »Islam«-kritischen Diskurs. Dabei soll ein stark polarisierender Konfrontationskurs, der einem Freund-Feind-Schema folgt, den USA erneut zur weltweiten Führungsposition verhelfen.
Netanjahu und das Haus Saud begrüßen Trump-Entscheid
Um ihr Ziel im Nahen Osten zu erreichen, geht die Trump-Administration einen engen Schulterschluss mit den beiden Regionalmächten Israel und Saudi-Arabien ein - vor allem gegenüber Iran, der Macht, die einem erstarkenden US-Einfluss in der Region stets widersteht.
In Israels Premier Benjamin Netanjahu findet Trump einen Verbündeten am Zenit seiner Macht. Netanjahu bedient sich einer ähnlich aggressiven Rhetorik und will damit nicht nur von schwerwiegenden Korruptionsermittlungen gegen sich ablenken und mit einer Politik der Angst wertvolle Umfragepunkte gewinnen. Nein, er geht fest davon aus, dass Israel ewig »mit dem Schwert« wird leben müssen, dass also Israel nie von seinen Nachbarn akzeptiert werden wird und deshalb kein Frieden mit ihnen möglich ist.
Dem zugrunde liegt der feste Glaube an einen weltumspannenden Kampf zwischen dem Westen und dem Islam, in dem Israel die Speerspitze des westlichen Lagers darstellt. Als Hauptfeind hat er schon vor Jahrzehnten Iran identifiziert. Das jüngste Aneinandergeraten Irans und Israels in Syrien muss deshalb im Zusammenhang mit diesen Bemühungen der Netanjahu-Regierung verstanden werden. Dabei möchte Israel keinen frontalen Krieg mit Iran, sondern die Iraner zu einem Schritt provozieren, der den Westen dazu bringt, Iran zu sanktionieren oder einen Regimewechsel in Teheran anzustreben.
Auch Saudi-Arabien ist an einer Verschärfung des Konfliktes interessiert. Das Land möchte die USA stärker an die Region und gegen Iran einbinden. Saudi-Arabien will den regionalen Gegner Iran in die Schranken weisen, der Riad die Rolle als führender Beschützer des Islams streitig macht, um einem von Iran inspirierten revolutionären Eifer gegen die absolute saudische Monarchie einen Riegel vorzuschieben und um von der eigenen Rolle als geistiger Urheber des radikalen Islamismus zu verschleiern. Schließlich stellt der Wahhabismus, dessen letzte Ausgeburt der Islamische Staat ist, Saudi-Arabiens Staatsdoktrin dar, die untrennbar mit dem Herrschaftsanspruch der Königsfamilie Saud verbunden ist. Riad will andererseits damit auch von den tiefgreifenden internen Problemen sozioökonomischer Art angesichts eines enormen Modernisierungsbedarfs sowie mit einer großen, unterdrückten schiitischen Minderheit ablenken.
Diesem Dreigestirn, das offensichtlich einen Regimewechsel in Teheran anstrebt, steht die Islamische Republik Iran gegenüber. Schaut man sich das Land jenseits stereotyper Zuschreibungen an, so muss man zwischen seinen relevanten geopolitischen Interessen und denen des Regimes unterscheiden. Iran hat im 20. Jahrhundert vier ausländische Interventionen erlebt, mit verheerenden Folgen: In den beiden Weltkriegen wurde es zum Spielball der Großmächte trotz einer Neutralitätserklärung, 1953 folgte die Absetzung des demokratisch gewählten Premiers Mohammad Mossadegh mit Hilfe des CIA zugunsten einer grausam folternden Monarchie, und schließlich griff Irak unter Saddam Hussein Iran unvermittelt an, inklusive Chemiewaffeneinsatzes - bei voller Unterstützung des Westens und Saudi-Arabiens. Daher ist es im nationalen Interesse Irans, keine weiteren Interventionen von außen zuzulassen.
Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen wird das Regime stärken
Die jetzt drohende Gefahr eines von außen forcierten Regimewechsels könnten folglich die radikalen Elemente im Land dazu nutzen, nicht nur das Atomprogramm erneut anzugehen, sondern Oppositionskräfte als eine von den USA gesteuerte Fünfte Kolonne zu präsentieren, just in Zeiten, in denen landesweite Proteste das Regime schwächen. Falls das Sanktionsregime wieder erstarkt, werden die Herrschenden in Teheran ihre Schattenwirtschaft ausbauen und so ihre Machtposition innerhalb Irans auf Kosten anderer Elemente der iranischen Gesellschaft stärken. Auch wenn Iran im Gegensatz zu Israel, Saudi-Arabien oder den USA seit mehreren Jahrhunderten keinen direkten Krieg angefangen hat, könnte das auf diese Weise stabilisierte Regime weitere Stellvertreterkriege in der Region schüren und diese als gerechte Kriege der Schiiten als ewige Opfer sunnitischer und westlicher Aggression darstellen. Ebenso könnte es seine Rhetorik gegen Israel und dessen Existenzrecht verstärken.
Die Position der Europäer und der israelischen Linken
Mit der Trumpschen Entscheidung ist also die Gefahr einer regionalen Eskalation und eines Rüstungswettbewerbs mit globalen Folgen enorm gewachsen. In Europa nimmt zwar in allen politischen Lagern die Zahl derjenigen zu, die einen vorgestellten Kampf zwischen dem Islam und dem Westen herbeireden. Dennoch verstehen sowohl die politischen Eliten als auch eine breite Öffentlichkeit die Vorteile des Atomabkommens als ein Mittel zur Einbindung Irans und zur Verhinderung von Krieg. Die Frage lautet jedoch, ob die Europäer gemeinsam mit Russland und China gegensteuern können und womöglich einen handfesten transatlantischen Konflikt mit ungewissem Ausgang riskieren, damit Teheran das Atomabkommen nicht kündigt und die Inspektionen seiner Atomanlagen durch die Internationale Atomenergiebehörde beendet. Diese Inspektionen sind nicht nur wichtig zur Überwachung der iranischen Aktivitäten, sondern hindern auch die Falken in den USA und darüber hinaus daran, mehr Unterstützung für ihre Regimewechselpläne zu gewinnen - durch Mutmaßungen über das iranische Atomprogramm, ähnlich der Strategie, mit der sie erfolgreich eine internationale Allianz zum Regimewechsel in Irak zusammenbrachten. Ein Wiederaufleben des iranischen Atomprogramms animierte zudem Saudi-Arabien und weitere regionale Mächte dazu, eigene nukleare Programme aufzulegen.
Besonders aufmerksam wird aus deutscher Sicht die Frage nach der Sicherheit Israels gestellt. Hier gilt es, auf Knesset-Mitglied Don Khenin von der sozialistischen Partei Chadasch zu hören, der das Fortbestehen des Atomabkommens existenziell wichtig für Israel hält. Er plädiert dafür, das Abkommen zur atomaren Abrüstung nicht zu kündigen, sondern im Gegenteil auszuweiten. Für Khenin ist das der einzige Weg hin zu einer sichereren Welt für alle.
Tsafrir Cohen leitet das Israel-Büro der Rosa Luxemburg Stiftung
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