- Politik
- UNHCR-Statistik
So viele Menschen wie nie auf der Flucht
85 Prozent der Flüchtlinge leben in armen Ländern / Türkei, Pakistan, Uganda, Libanon und Iran nehmen am meisten Asylsuchende auf
Genf. Nie sind in der Welt durch Krisen und Konflikte so viele Menschen auf der Flucht gewesen wie 2017. Insgesamt waren es Ende des Jahres 68,5 Millionen, 4,6 Prozent mehr als Ende 2016, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Dienstag berichtete. Es ist der fünfte Rekordwert in Folge.
Neu oder zum wiederholten Mal vertrieben wurden allein im Laufe des vergangenen Jahres statistisch gesehen pro Tag fast 44.500 Menschen, insgesamt 16,2 Millionen. Andere sind seit Jahren vor Kriegen, Konflikten, Gewalt und Verfolgung auf der Flucht. Drei von fünf Betroffenen hätten im eigenen Land Zuflucht gefunden, so das UNHCR.
Flüchtlinge sind für das UNHCR alle Menschen, die aus ihrem Land geflohen sind. Es betreute im vergangenen Jahr 19,9 Millionen Flüchtlinge. Um mehr als fünf Millionen palästinensische Flüchtlinge kümmert sich eine eigene UN-Organisation (UNRWA). Die Zahl der Flüchtlinge wächst nicht nur durch neue Konflikte und Vertreibungen, sondern auch durch Geburten.
Die größte Bürde tragen ärmere Länder, wie UNHCR-Chef Filippo Grandi betont: »Manche Leute glauben, die Flüchtlingskrise sei eine Krise in den reichen Ländern. Das ist nicht der Fall.« 85 Prozent der Flüchtlinge lebten in teils bitterarmen Ländern oder solchen mit niedrigen oder mittleren Einkommen. Er appellierte an die humanitäre Verantwortung reicher Staaten. »Niemand wird freiwillig zum Flüchtling. Aber wir anderen können helfen.«
In keinem Konfliktgebiet sei eine Lösung in Sicht, kritisierte Grandi. Fast 70 Prozent der Flüchtlinge stammen nach Angaben des UNHCR aus fünf Ländern. »Wenn es Lösungen für diese Länder gäbe, könnten die Zahlen deutlich sinken«, sagte er. Es handelt sich um Syrien, Afghanistan, den Südsudan, Myanmar und Somalia.
Unter den Flüchtlingen seien mehr als die Hälfte – 52 Prozent – minderjährig, oft handelt es sich um Kinder, die von ihren Familien getrennt wurden. Die USA waren nach Angaben von Grandi mit einem Beitrag von 1,3 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr der größte Geber des UNHCR. Allerdings hätten sie die Zahl der Plätze für die Umsiedlung von Flüchtlingen von 110.000 auf 45.000 reduziert.
Grandi legt große Hoffnungen in eine neue weltweite Vereinbarung über den Umgang mit Flüchtlingen und Vertriebenen, die im Herbst bei den Vereinten Nationen in New York verabschiedet werden soll. Dabei geht es unter anderem um mehr Geld für die Bekämpfung der Fluchtursachen.
Kein Land beherbergte 2017 so viele Flüchtlinge wie die Türkei: 3,5 Millionen, überwiegend aus Syrien. In Deutschland hielten sich nach diesen Zahlen im vergangenen Jahr 970.400 Flüchtlinge auf. Deutschland stand damit hinter der Türkei, Pakistan, Uganda, dem Libanon und dem Iran an sechster Stelle der Zufluchtsländer. Gemessen an der Bevölkerung nahm der Libanon am meisten Flüchtlinge auf, gefolgt von Jordanien und der Türkei.
Fünf Millionen Vertriebene seien im vergangenen Jahr in ihre Heimatorte zurückgekehrt. Eine permanente neue Heimat fanden nur 100.000 Menschen, 40 Prozent weniger als im Jahr davor. Es seien nicht genügend Plätze angeboten worden, so das UNHCR. dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.