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»Mami! Ich will mit Papa mitgehen«

US-Regierung verteidigt umstrittene Familientrennungen an der Grenze zu Mexiko / Amnesty International spricht von »Folter«

  • Lesedauer: 3 Min.

Washington. Trotz zunehmenden Drucks aus dem In- und Ausland hält die US-Regierung weiter an den umstrittenen Familientrennungen an der Grenze zu Mexiko fest. Justizminister Jeff Sessions und Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen verteidigten das Vorgehen am Montag mit der Begründung, Menschen mit Kindern seien nicht vor Strafverfolgung geschützt. Unterdessen veröffentlichte das Enthüllungsportal ProPublica eine Tonaufnahme, auf der von ihren Eltern getrennte, schluchzende Kinder von Einwanderern zu hören sind.

Es gebe »keine Politik der Trennung von Familien an der Grenze«, sagte Nielsen am Montag in Washington. Sie warnte aber zugleich, dass jeder, der die Grenze illegal übertrete, mit Strafverfolgung rechnen müsse. Dies habe zur Folge, dass den Menschen ihre Kinder weggenommen würden. »Was sich geändert hat ist, dass wir nicht länger ganze Gruppen von Menschen davon ausnehmen, die gegen das Gesetz verstoßen.«

Justizminister Sessions erklärte: »Wir können und werden Menschen nicht ermutigen, Kinder mitzubringen und ihnen eine weitgehende Immunität angesichts unserer Gesetze geben.« Wenn eine Grenzmauer gebaut werde, müsse die Regierung keine »schrecklichen Entscheidungen« mehr treffen.

Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump gesagt, er werde nicht zulassen, dass die USA zu einem »Einwandererlager« und einer »Aufnahmestelle für Flüchtlinge« würden. In seinem Land dürfe nicht das Gleiche geschehen wie in Europa. Kurz zuvor hatte er im Kurzbotschaftendienst Twitter erneut besonders die Einwanderungspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) angeprangert.

Unterdessen veröffentlichte die Plattform ProPublica eine Tonaufnahme, auf der heftig weinende Kinder zu hören sind, die von ihren Eltern getrennt wurden. »Mami! Ich will mit Papa mitgehen«, ist ein kleines Mädchen zu hören, das so heftig weint, dass es kaum Luft holen kann. Ein anderes Mädchen schluchzt: »Ich will nicht von meinem Papa getrennt werden.« Ein anderes, laut ProPublica sechsjähriges Mädchen bittet die Beamten inständig, ihre Tante anzurufen und erklärt stolz, deren Telefonnummer zu wissen.

Die auf der Aufnahme zu hörenden Kinder stammen laut ProPublica mehrheitlich aus El Salvador und Guatemala – beides von Gewalt geplagte Länder in Mittelamerika. Auf der Aufnahme ist zu einem Zeitpunkt ein US-Grenzbeamter zu hören, der vor dem Hintergrund lauten Kinderschluchzens auf Spanisch sagt: »Also, wir haben hier ein regelrechtes Orchester. Das einzige, was fehlt, ist ein Dirigent.«

Im Zuge der »Null-Toleranz«-Politik der US-Regierung werden systematisch alle Menschen, die illegal die Grenze überqueren, als Gesetzesbrecher behandelt und festgenommen. Da Kinder nicht mit ihren Eltern inhaftiert werden dürfen, werden die Familien auseinandergerissen.

Wie das Heimatschutzministerium am Montag mitteilte, wurden zwischen dem 5. Mai und dem 9. Juni 2342 Kinder von ihren Eltern getrennt. In der vergangenen Woche hatte das Ministerium angegeben, dass in dem längeren Zeitraum vom 19. April bis zum 31. Mai insgesamt 1995 Kinder von ihren Eltern getrennt worden seien.

Viele Kinder werden nach Angaben demokratischer Abgeordneter in umzäunten Auffanglagern in der Nähe der Grenze festgehalten, die als »Käfige« beschrieben wurden. Heimatschutzministerin Nielsen wies Vorwürfe über eine schlechte Behandlung der Kinder am Montag zurück. Die Kinder würden »gut behandelt«, sagte sie in Washington.

Die UNO hatte die Familientrennungen am Montag scharf kritisiert, die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von »Folter«.

Neben den Demokraten ist die umstrittene Praxis auch in Trumps eigener Republikanischer Partei umstritten. Der einflussreiche Republikaner John McCain twitterte am Montag, das Vorgehen sei ein »Affront gegen den Anstand des amerikanischen Volkes«. Die Regierung habe die Macht, diese Politik außer Kraft zu setzen und »sollte dies jetzt tun«. Zuvor hatte selbst First Lady Melania Trump die Praxis kritisiert.

Kritik kam auch vom demokratischen Ex-Präsidenten Bill Clinton, von dessen Ehefrau und Trump-Rivalin im Präsidentschaftswahlkampf Hillary Clinton, von Ex-First-Lady Laura Bush und deren Nachfolgerin Michelle Obama. AFP/nd

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