Knapper geht es nicht

Nur die Hälfte der NRW-LINKEN wählte Inge Höger, inhaltlich ist man sich einiger

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich bin gewählt worden«, sagt Inge Höger gegenüber dem nd. »Das zählt.« Mit einer Stimme weniger hätte die LINKE in Nordrhein-Westfalen ein großes Problem gehabt. Höger war die einzige Frau, die sich für den Posten der Landessprecherin beworben hat. 117 Delegierte stimmten für sie, 97 gegen sie, 18 enthielten sich. Knapper geht es nicht. Der Ko-Vorsitzende Christian Leye schnitt bei seiner Wahl deutlich besser ab.

Dass die 67-Jährige umstritten ist, war schon im Vorfeld des Parteitags klar. Höger sorgte mit ihrer Positionierung zum Nahost-Konflikt wiederholt für Kritik. 2010 gehörte sie zu den Passagieren eines Schiffes, das die Gaza-Blockade durchbrechen sollte, vorher aber vom israelischen Militär gestoppt wurde. Das Schiff, das Hilfsgüter an die Palästinenser liefern wollte, wurde teilweise von islamistischen Organisationen organisiert. Für Irritationen sorgte auch ihre Begleitung antiisraelischer Journalisten in den Räumen der LINKEN-Bundestagsfraktion, die Gregor Gysi bis auf die Toilette verfolgten, nachdem dieser ihnen Antisemitismus vorgeworfen hatte.

Offen angesprochen wurde diese Problematik bei dem Parteitag allerdings nicht. Auch Höger-Kritiker meinten, sie seien froh, dass sich überhaupt jemand für den Landesvorsitz gefunden habe. Nachdem Özlem Alev Demirel nicht wieder angetreten war, hatte die NRW-LINKE Schwierigkeiten, den Posten zu besetzen. Es gibt aber auch Menschen, die sich klar gegen Högers aussprachen. Sebastian Merkens, Kreissprecher aus Mönchengladbach, etwa sagte, die Wahl habe auf dem Parteitag »eine Schockwelle« ausgelöst. Das knappe Ergebnis zeige, dass »die Hälfte der Delegierten für eine ganz andere Position stehen«. Merkens fürchtet, dass mit der neuen Vorsitzenden »die gute Arbeit«, die in vielen Kreisverbänden gemacht würde, erschwert wird.

Ein deutlich besseres Ergebnis erzielte der zweite Sprecher Christian Leye. Der Mitarbeiter von Sahra Wagenknecht kandidierte für eine zweite Amtszeit als Landeschef. Knapp 72 Prozent der Delegierten stimmten für ihn. »Wir wollen den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit auf die politische Tagesordnung setzen«, formulierte Leye die Agenda für die kommenden Jahre. Die anderen Parteien machten Politik für »das Portemonnaie der besitzenden Klasse«. Antworten auf soziale Ungleichheit und Rechtspopulismus könnten nur von links kommen.

Leye kann auf zwei relativ erfolgreiche Jahre als Landessprecher zurückblicken. Mit 4,9 Prozent scheiterte die Partei zwar bei der letzten Landtagswahl 2017 erneut, aber die Mitgliederzahl entwickelt sich positiv. Mit knapp 8000 Mitgliedern ist der Landesverband inzwischen der zweitgrößte in der LINKEN, hinter Sachsen. In den vergangenen beiden Jahren sind 1400 Menschen, die 30 Jahre oder jünger sind, eingetreten.

Auch thematisch steht die LINKE an Rhein und Ruhr mittlerweile auf breiten Füßen. Mit der Gewerkschaft ver.di arbeitet man eng zusammen, jüngstes Beispiel eine Demonstration in Düsseldorf für bessere Arbeitsbedingungen in Pflegeberufen. an der mehr als 4000 Menschen teilnahmen. Auch das Thema Klimawandel, das im Kohleland Nordrhein-Westfalen eine besondere Bedeutung hat, hat die LINKE an Profil gewonnen. Anlässlich des Weltklimagipfels organisierte sie einen großen Block bei der Gegendemonstration, bei den Klimacamps, Aktionen des zivilen Ungehorsams unter dem Motto »Ende Gelände« und im Hambacher Forst sind regelmäßig Aktive der Partei dabei und Abgeordnete helfen als parlamentarische Beobachter. In diversen antifaschistischen Bündnissen arbeitet die LINKE mit. Das sah vor zwei Jahren, bevor Christian Leye und Özlem Alev Demirel den Landesverband übernahmen, noch anders aus.

In den nächsten beiden Jahren stehen mit der Europawahl und den Kommunalwahlen zwei wichtige Wahlkämpfe an. Dafür wurden nun die ersten Weichen gestellt. Bisher ist die Partei vor allem in den Großstädten gut aufgestellt. Die Verankerung soll mit einer Verstärkung der Stadtteilarbeit noch verbessert werden. Hier hat man besonders die abgehängten Stadtteile im Ruhrgebiet im Blick, in denen die AfD zuletzt Wahlerfolge erzielte. Außerdem möchte die Partei sich stärker um die ländlichen Räume kümmern, wo sie oft noch unterrepräsentiert ist.

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