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Freundin von Zschäpe an Anschlag beteiligt?
Wirt von Nürnberger Kneipe soll Frau von Neonazi André E. auf Fotos erkannt haben
Nürnberg. 19 Jahre nach der Explosion einer Rohrbombe in einer Nürnberger Kneipe haben Journalisten neue Erkenntnisse zum mutmaßlich ersten Anschlag des NSU zu Tage gefördert. Wie die »Nürnberger Nachrichten« und der Bayerische Rundfunk am Dienstag berichteten, könnte auch eine gute Freundin von Beate Zschäpe in die Tat verwickelt gewesen sein. Es handelt sich demnach um Susann E., die Ehefrau des im Münchner NSU-Prozess Mitangeklagten André E.
Zschäpe steht wegen der dem NSU angelasteten rassistischen Serie von zehn Morden, 15 Raubüberfällen und zwei Bombenanschlägen vor Gericht. In dem Verfahren hatte der mitangeklagte Carsten S. im Juni 2013 ausgesagt, die 2011 verstorbenen mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hätten ihm erzählt, in Nürnberg »eine Taschenlampe aufgestellt« zu haben. Damit wurde klar, dass die bislang ungeklärte Explosion einer Taschenlampe in der Nürnberger Kneipe »Sonnenschein« am 23. Juni 1999 auch auf das Konto des NSU ging.
Ein Rechercheteam von »Nürnberger Nachrichten« und BR hat nun mit dem Pächter des zerstörten Lokals gesprochen, der bei dem Anschlag verletzt worden war. Der junge Türke hatte Zschäpes Freundin Susann E. demnach bereits 2013 auf einem Foto erkannt.
Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) hatten den Wirt dem Bericht zufolge im Juni 2013 nach der Wendung im NSU-Prozess an seinem neuen Wohnort aufgesucht und ihm eine Serie von 115 Bildern vorgelegt. Der Wirt sagte demnach, »dieses Mädchen« komme ihm »dermaßen bekannt vor« und gehe ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Susann E. ist dem Bericht zufolge eine Rechtsextremistin aus Zwickau und enge Freundin von Zschäpe. Susann E. hatte Zschäpe, die jahrelang wenige Kilometer entfernt mit Bönhardt und Mundlos im Untergrund lebte, demnach regelmäßig besucht. Susann E. ist zudem die Ehefrau von André E., der im Münchner Prozess wegen Beihilfe zum versuchten Mord und wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angeklagt ist.
Dem Bericht zufolge ist aber unklar, ob das BKA in der Angelegenheit ermittelt. Die Bundesanwaltschaft beantwortete diesbezügliche Anfragen des Rechercheteams nicht.
Der Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, der im Münchner NSU-Prozess Opfer vertritt und vom Rechercheteam der »Nürnberger Nachrichten« und des BR auf die Zusammenhänge in der Nürnberger Kneipe aufmerksam gemacht wurde, hat dem Bericht zufolge bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht beantragt. Er bekräftigte demnach seinen Eindruck, dass das NSU-Trio zur Ausübung seiner Taten Helfer gehabt haben müsse.
Ob der Fall des mutmaßlich ersten NSU-Anschlags juristisch aufgearbeitet wird, ist jedoch fraglich. Die Bundesanwaltschaft hatte dem Bericht zufolge schon im Mai 2015 aus »verfahrensökonomischen Gründen« darauf verzichtet, die Tat im NSU-Prozess anzuklagen. AFP/nd
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