Windräder auf Sand gebaut
Oberverwaltungsgericht wollte Regionalplan Havelland-Fläming kippen
Wo dürfen Windkraftanlagen errichtet werden und wo nicht? Auf diese Frage gibt es für einen großen Teil von Westbrandenburg keine abschließende Antwort.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) behandelte am Dienstag ab 10 Uhr in einem Aufwasch gleich acht Klagen gegen den Regionalplan Havelland-Fläming, und ließ schon nach weniger als zwei Stunden durchblicken, dass es den Regionalplan aus formalen Gründen kippen werde. Ein Urteil lag bei Redaktionsschluss jedoch noch nicht vor. Denn Vizegerichtspräsidentin Dagmar Merz wollte die Gelegenheit nutzen, doch noch einige inhaltliche Fragen anzuschneiden. Sie sprach von einem Service. Schließlich ist damit zu rechnen, dass ein neuer Regionalplan aufgestellt wird, und dass es gegen diesen dann auch wieder Klagen hagelt. Da wollte Dagmar Merz gleich einmal klarstellen, was neben formalen Fehlern ebenfalls zu korrigieren wäre.
Windeignungsgebiete werden in Brandenburg durch fünf verschiedene Regionale Planungsgemeinschaften festgelegt. Für das Gebiet Havelland-Fläming ist dies in einem am 16. September 2014 beschlossenen Regionalplan geschehen. Doch dabei sind aus Sicht des OVG zahlreiche Fehler unterlaufen. In so einem Regionalplan sind für jeweils mehrere Landkreise Dinge wie diese geregelt: Wo dürfen Siedlungen gebaut werden, wo Windräder errichtet und wo Bodenschätze gefördert?
Aber das ist im Titel Regionalplan Havelland-Fläming alles nicht klar benannt, findet Merz. Welcher Bürger in Potsdam-Mittelmark würde schon darauf kommen, dass sein Wohnort zur genannten Region zählt und dass es da um Windräder geht, die sich künftig vor seiner Nase drehen könnten? Außerdem wurde der Regionalplan in Potsdam-Mittelmark nur dienstags und donnerstags von 9 bis 12 Uhr sowie von 13 bis 16 Uhr öffentlich ausgelegt. Berufstätige, die Einsicht nehmen und Einwände machen wollten, konnten dies deshalb weder nach der Arbeit noch in der Mittagspause tun.
Aber das sind in gewisser Weise Randprobleme. Der Knackpunkt: Der von einer Regionalversammlung beschlossene Regionalplan wurde hinterher lediglich mit der Ausnahme genehmigt, dass ein vorgesehenes Vorranggebiet »VR 08« für den Abbau von Sand gestrichen wird. Im Amtsblatt ist der Regionalplan kurzerhand ohne das Vorranggebiet »VR 08« veröffentlicht worden. Nach Überzeugung des Gerichts wäre aber ein neuer Beschluss zu der veränderten Fassung notwendig gewesen. Schließlich wird im gestrichenen Vorranggebiet »VR 08« bereits von einem Unternehmen Sand gewonnen. Das hätte vielleicht Einspruch erheben wollen. Da wäre eine erneute Auslegung der Unterlagen erforderlich gewesen.
Gegen den Regionalplan geklagt hatten 17 verschiedene Windenergiefirmen, darunter die Strom aus Wind GmbH & Co. Windpark Schmetzdorf KG und die Uckerwerk Energietechnik GmbH sowie spezielle Grundstücksgesellschaften. Dabei geht es den Firmen darum, dass sie Windräder nicht dorthin setzen dürften, wo sie es gern möchten, beispielsweise in einem Fall in die Nähe von Treuenbrietzen. Es waren auch Privatleute unter den Klägern, denen es verwehrt wäre, den Bau von Windrädern auf ihren Grundstücken zuzulassen. Dabei dreht es sich um Geld.
Damit nicht genug, wehrten sich die Kliniken Beelitz und die Recura Kliniken gegen Windeignungsgebiete in der Nähe von Beelitz-Heilstätten, und die Gemeinde Milower Land wollte Windräder lieber an der Grenze zu Sachsen-Anhalt zulassen als mitten in einem Wald, wo ein Seeadler lebt. Auch die Stadt Beelitz möchte sich von der Regionalen Planungsgemeinschaft nicht vorschreiben lassen, wo Windräder gebaut werden dürfen und wo nicht. Die Stadt will das lieber selbst entscheiden. Zur Sprache kam auch eine Bestimmung zur Nauener Platte. Die Gegend ist schon lange mit Windrädern zugestellt, was in der Vergangenheit für massive Proteste sorgte. Es gab deswegen einst sogar einen Hungerstreik. Nun sollten die jeweils zuständigen Kommunen vor Ort ermächtigt werden, per Flächennutzungsplan festzulegen, dass neue Windräder in den Windeignungsgebieten Nauener Platte West und Nauener Platte Ost nur zugelassen sind, wenn dafür alte entfernt werden. Eine solche Bestimmung zum sogenannten Repowering - alte Windräder durch leistungsstärkere ersetzen - hält das OVG für machbar.
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