Ehrenbürgerin Angela Merkel

Templins Stadtparlament entschied mit fraktionsübergreifender Zwei-Drittel-Mehrheit

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Dass er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht wähle, sei selbstverständlich, sagt Templins Bürgermeister Detlef Tabbert (LINKE) am Donnerstag. Dennoch hat er am Mittwochabend in der Stadtverordnetenversammlung dafür gestimmt, Merkel die Ehrenbürgerwürde zuzuerkennen. »Sie hat den Namen Templin in die Welt getragen«, begründet er das. Tabbert würdigt auch, dass Merkel als erste Frau an der Spitze einer Bundesregierung steht und dass sie eine Frau aus Ostdeutschland ist. Bei ihren Verdiensten gehe es nicht um ein aktuelles Geschehen, nicht um ihre Haltung in der Asylpolitik, sondern um die gesamten zwölf Jahre ihrer Kanzlerschaft.

Geboren ist Merkel 1954 in Hamburg, also im Westen. Aber die Familie zog 1957 nach Templin, wo der Vater, ein evangelischer Theologe, eine Stelle annahm. Also wurde die junge Angela in der DDR sozialisiert, mit allem, was dazugehört. Zwar wurde sie 1967 in der Templiner Maria-Magdalenen-Kirche konfirmiert. Sie trat jedoch wie seinerzeit fast alle Mädchen und Jungen in die Jugendorganisation FDJ ein, die sich als Kampfreserve der SED verstand. In Templin machte Merkel Abitur, an der Karl-Marx-Universität in Leipzig studierte sie Physik, forschte danach an der Akademie der Wissenschaften. Ehemalige Kollegen beschreiben sie als außerordentlich intelligent und angenehm im persönlichen Umgang. Einer erinnert sich, dass sie in Moskau das Leninmausoleum mit der präparierten Leiche des Revolutionsführers besuchte. Der Vater von Merkel starb 2011. Die Mutter lebt noch in Templin - und freut sich, dass die Tochter nun Ehrenbürgerin wird.

Der Beschluss wurde mit einer fraktionsübergreifenden Zwei-Drittel-Mehrheit gefasst. 20 Stadtverordnete stimmten mit Ja, sechs mit Nein und drei enthielten sich. Mit Nein gestimmt hat der Stadtverordnete Aribert Christ (AfD). Zwei Gegenstimmen gab aus den Reihen der SPD - Begründung: keine lebenden Persönlichkeiten verehren -, je eine Gegenstimme geht auf das Konto der Grünen und der Wählergemeinschaft »Uckermärkische Heide«. Von den sechs Mitgliedern der Linksfraktion, wobei der Bürgermeister nicht mitgerechnet wird, stimmte eins mit Nein und eins enthielt sich.

»Es gibt durchaus kritische Stimmen in der Stadt«, bestätigt Bürgermeister Tabbert. Das beschränkt sich nicht auf die 40 Unterschriften gegen die Verleihung der Ehrenbürgerwürde, die er am Dienstag übergeben bekommen hat. In einer kleinen Stadt kennt man sich ja und weiß - diese Initiative ist nahezu deckungsgleich mit der AfD-Ortsgruppe und ihrem Umfeld, so heißt es. Auch ältere Genossen der eigenen Partei haben Tabbert gesagt, dass sie nicht verstehen, warum die LINKE bei diesem Ehrenbürgerschaftsentschluss mitspielt. Begründet wird die Skepsis von dieser Seite mit dem Irakkrieg 2003. Zur Erinnerung: Der damalige US-Präsident George W. Busch rechtfertigte den Angriff mit den Massenvernichtungswaffen, über die der irakische Diktator Saddam Hussein verfüge. Diese Waffen wurden aber nach Husseins Niederlage nicht gefunden. Sie konnten nicht entdeckt werden, weil der Vorwurf erfunden war.

Zur Erinnerung: Merkel war damals noch nicht Bundeskanzlerin. Das war Gerhard Schröder (SPD), der die Lage in Irak und die Stimmung der deutschen Bevölkerung richtig einschätzte und den USA die Gefolgschaft verweigerte, die Bundeswehr nicht einsetzte. Merkel kritisierte dies theatralisch und reiste als CDU-Fraktionschefin extra nach Washington, um US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ihre unbedingte Treue zu versichern.

Bürgermeister Tabbert verweist allerdings, um die Angelegenheit von allen Seiten zu betrachten, auf das Jahr 2011. Da war Merkel Kanzlerin, und die Bundesrepublik enthielt sich im UNO-Sicherheitsrat, als es um einen Einsatz gegen Libyen ging. Merkel wollte keine Bundeswehrsoldaten nach Libyen schicken, was ihr in den USA angekreidet wurde.

Wann Templin die Ehrenbürgerwürde verleiht, ist noch offen. Im September soll mit dem Bundeskanzleramt ein Termin gefunden werden, erläutert der Bürgermeister. Es soll keine extra Veranstaltung geben. Merkel soll zu einem ohnehin geplanten Termin kommen, beispielsweise zu einem Stadtfest oder zu einer Sitzung der Stadtverordnetenversammlung - und dann »in einem würdigen Rahmen« die Urkunde überreicht bekommen und sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Irgendwelche Vergünstigungen sind mit der Ehrenbürgerwürde nicht verbunden, betont Tabbert. Die Kanzlerin bekommt weder Geld, noch darf sie umsonst mit dem Bus fahren. Sollte Merkel bis zur Verleihung hinschmeißen, ändert das nichts. Sie wird trotzdem Ehrenbürgerin. Das sei an die Person und nicht an den Kanzlerposten gebunden, sagt Tabbert.

Templin ist die erste Stadt in der Bundesrepublik, die Angela Merkel zur Ehrenbürgerin macht.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -