Schwerer Schlag für US-Arbeiterbewegung

Gerichtshof kippt Regelung, mit der Gewerkschaften auch von Nichtmitgliedern Gebühren erheben können

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Oberste Gerichtshof der USA hat der Arbeiterbewegung einen harten Schlag versetzt. Er entschied am Mittwoch, dass die Gewerkschaften des öffentlichen Sektors die Beschäftigten nicht mehr zwingen können, Gebühren zu entrichten. »Diese Regelung verletzt das Recht auf freie Meinungsäußerung von Nichtmitgliedern, indem sie sie zwingt, die private Meinungsäußerung in Angelegenheiten von erheblichem öffentlichem Interesse zu subventionieren«, sagte Richter Samuel Alito.

Mark Janus, ein Staatsangestellter aus Illinois, hatte gegen die Gewerkschaft American Federation of State, County and Municipal Employees (AFSCME) geklagt. Dabei wurde er von ultrakonservativen, unternehmensnahen Stiftungen finanziell unterstützt. Bislang galt in den USA, dass, wenn mehr als die Hälfte der Beschäftigten eines Betriebes für eine Gewerkschaft stimmen, diese laut Gesetz auch Nichtmitglieder in ihren Verhandlungen mit Regierungsvertretern oder beim Arbeitsschutz vertreten muss. Im Gegenzug konnten sie neben dem Beitrag ihrer Mitglieder auch von allen anderen Beschäftigten Gebühren erheben. Das galt auch als gewisser Ausgleich dafür, dass es keine Sonderrechte für Betriebsräte gibt.

Richter Alito räumte ein, dass die Entscheidung eine Herausforderung für die letzten verbliebenen starken Gewerkschaften darstelle. »Wir erkennen an, dass der Verlust von Zahlungen von Nichtmitgliedern dazu führen kann, dass die Gewerkschaften kurzfristig unangenehme Übergangskosten erleiden und dass die Gewerkschaften Anpassungen vornehmen müssen, um Mitglieder zu gewinnen und zu halten.«

Die AFSCME reagierte in einer ersten Stellungnahme entsetzt auf das Urteil: »Der Oberste Gerichtshof hat sich auf die Seite mächtiger CEOs, Milliardäre und Unternehmensinteressen, gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und einfache Arbeiter gestellt.«

Die Entscheidung gilt zwar nicht für Gewerkschaften in der Privatwirtschaft, schwächt aber zweifellos die Arbeiterbewegung insgesamt. Weniger als elf Prozent der US-Beschäftigten gehören einer Gewerkschaft an. 1983 waren es mehr als 20 Prozent, in den 1960er Jahren sogar etwa die Hälfte. Die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst gelten nach wie vor als die stärksten.

Indes können die Regierungen von Bundesstaaten Gesetze erlassen, welche zumindest die schlimmsten Auswirkungen des Urteils abschwächen. Das Illinois Economic Policy Institute schätzt, dass ein Zehntel bis ein Drittel der Mitglieder im öffentlichen Dienst künftig auf die Zahlung von Beiträgen verzichten werden.

Die Abstimmung des Gerichtes fiel mit fünf zu vier Stimmen denkbar knapp aus. Darin spiegeln sich die politischen Mehrheiten, denn die Richter werden von den Präsidenten ernannt. Republikanische Senatoren blockierten in der Ära Barack Obama die Ernennung eines liberalen Richters, wodurch dieser Sitz frei blieb, bis Donald Trump einen konservativen Kandidaten ernannte. Der Gerichtshof wird demnächst noch weiter nach rechts rücken, denn der eher liberale Richter Anthony Kennedy kündigte in dieser Woche seinen Rücktritt zum 31. Juli an. Trump kann dann noch vor den Kongresswahlen im November einen weiteren ihm genehmen Richter ernennen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -