Ode an das Elend
Europäischer Rat beschließt, Migranten in Lagern zu internieren
Berlin. Die Europahymne hat zwar keinen Text. Doch wer das Thema aus dem vierten Satz von Beethovens 9. Sinfonie hört, kommt nicht umhin, an Schillers Worte zu denken:
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elisium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligthum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng getheilt,
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Alle Menschen werden Brüder? Nach dem EU-Gipfel sollen erst einmal all jene, die nunmehr nur als Objekt betrachtet werden - oder wie es Italiens Innenminister ausdrückt, als Menschenfleisch - interniert werden. Am besten so weit weg von den europäischen Grenzen wie möglich. Seit Jahren wird in Europa gekonnt auf der Klaviatur der niedersten Instinkte gespielt, mit Erfolg. Die Ode an die Freude kommt hinter Stacheldraht, die angebliche Grundwertegemeinschaft EU feiert ihre Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner maximal machbarer Inhumanität: interne und externe Lager, weitere Abschottung der Grenzen durch Frontex, weitere enge Zusammenarbeit mit dem rechtsfreien Folterstaat Libyen und dessen »Küstenwache«, Freifahrtschein für die Kriminalisierung von zivilen Seenotrettern.
Nachdem am Freitag in Deutschland die Ergebnisse etwa von der SPD und der CDU für gut befunden wurden, hat wahrscheinlich auch diese Meldung die Freude über die Ergebnisse des EU-Gipfels nicht trüben können: Hundert Vermisste nach Untergang von Flüchtlingsboot vor Libyen. Am Nachmittag vermeldete das UNHCR Libyen den Tod der Menschen. Genau das ist es, was die EU beschlossen hat: Tod und Elend. mdr Seite 5
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.