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NSU-Prozess: Angeklagte hatten letztes Wort
Zschäpe bedauert das Leid, das sie verursacht hat - Urteile vermutlich in der kommenden Woche
Es war der 437. - und vermutlich vorletzte - Sitzungstermin im Prozess gegen Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) und einige Unterstützer. Der rechtsextremistischen Terrorgruppe werden zehn Morde, Bombenanschläge sowie Banküberfälle angelastet. Vom Januar 1998 bis zum Auffliegen im November 2014 konnten sie mit falschen Identitäten unbehelligt von angeblichen Fahndungsaktivitäten bundesweit agieren
Beate Zschäpe gehörte mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos - beide haben sich nach der Entdeckung selbst gerichtet - mutmaßlich zum Kern der rechtsextremistischen Terrorgruppe. Sie entschuldige sich - erstmals persönlich - »für das Leid, das ich verursacht habe«. Ihr Selbstbewusstsein sei viel beschrieben und immer missverstanden worden. Zschäpe beklagte, die mediale Berichterstattung und das Verfahren hätten sie verunsichert. Jedes Wort werde ihr negativ ausgelegt. In der Wendezeit habe sie sich von der rechten Ideologie »mitreißen« lassen. Heute jedoch habe dieses Gedankengut »keine Bedeutung« mehr für sie. Im Prozess habe sie sehr wohl »den Schmerz, die Verzweiflung und die Wut der Angehörigen sehen und spüren können«. Aber sie könne ihnen nicht die erwünschte Antwort auf die Frage geben, warum Mundlos und Böhnhardt gerade sie als Opfer gewählt haben. Sie bereue aber, dass sie sich »nicht von Uwe Böhnhardt getrennt habe«. Ihre knapp fünfminütige Erklärung beendete Zschäpe mit der Aufforderung an die Richter: »Bitte verurteilen Sie mich nicht stellvertretend für etwas, das ich nicht gewollt oder getan habe.«
Die Bundesanwaltschaft hatte für die heute 43-Jährige eine lebenslängliche Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung gefordert. Zschäpes zwei Verteidigerteams halten sie für unschuldig im Hinblick auf die Morde und Anschläge. Unterschiedlich sehen die Verteidiger Zschäpes Schuld an den anderen Straftaten, zu der auch die Brandstiftung in der gemeinsamen Zwickauer Wohnung zählt. Ihre beiden Wunschverteidiger halten eine Haft von höchstens zehn Jahren für angemessen.
Der Angeklagte André E. äußerte sich nicht. Ihm droht wegen der logistischen Unterstützung des NSU eine Haftstrafe von bis zu zwölf Jahren. Ralf Wohlleben, der als geistiger Anreger der Terrorzelle betrachtet wird, meinte, dass er bereits alles, was es aus seiner Sicht zu sagen gab, vorgetragen habe. Auch ihm gebührt - nach Ansicht der Anklage - eine zwölfjährige Haftstrafe.
»Ich muss mit meinem Fehler leben. Ich kann die Schuld nicht abtragen«, sagte dagegen Carsten S. Für ihn fordert die Anklage drei Jahre Jugendhaft. Auch Holger G. entschuldigte sich für seine Unterstützung des NSU. Ihm drohen fünf Jahre Haft. Die Urteile sollen am 11. Juli gesprochen werden.
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