Von Potsdam nach Werder mit der Tram

Straßenbahnverlängerung vom Bahnhof Pirschheide über die B1 könnte wirtschaftlich sein

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwei Buslinien verbinden derzeit die Landeshauptstadt mit Werder (Havel) im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Sechsmal pro Stunde fahren die Busse im Berufsverkehr und befördern nach Schätzung des Verkehrswissenschaftlers Johann Kaestner rund 3000 Menschen pro Werktag zwischen Potsdam, Glindow und der Blütenstadt entlang der B1. Zehnmal so viele Pendler, knapp 30 000, nutzten bereits im Jahr 2010 auf dieser Strecke das Auto. Neuere Zahlen gibt es nicht. Inzwischen dürften es mehr sein, denn zwischen 2011 und 2016 hat der Potsdamer Stadt-Umland-Verkehr um 18 Prozent zugenommen.

»Wenn wir eine Entlastung des Korridors schaffen wollen, geht das nur über eine Verbesserung des Öffentlichen Personnennahverkehrs«, sagt Kaestner am Montagabend bei einem Vortrag an der Technischen Universität Berlin. Die Untersuchung der Möglichkeiten war das Thema seiner Studienabschlussarbeit. Mittel der Wahl ist für ihn die Straßenbahn. »Es ist ein modernes, leistungsfähiges, als qualitativ hochwertig angesehenes Verkehrsmittel, das von den Fahrgästen akzeptiert wird«, so Kaestner. Eine Reihe von Studien habe gezeigt, dass die Umstellung von Bus auf Tram ohne Verbesserungen des Takts schon 20 bis 30 Prozent mehr Fahrgäste anzieht. »Schienenbonus« wird dieser Effekt in Fachkreisen genannt. »Das hängt natürlich vom einzelnen Fall ab, manchmal liegt die Fahrgaststeigerung bei 66 Prozent, manchmal sind es nur 13 bis 15 Prozent«, berichtet Kaestner.

Rund elf Kilometer Neubaustrecke müssten zwischen der derzeitigen Straßenbahn-Endhaltestelle am Bahnhof Pirschheide und einem möglichen neuen Endpunkt am Bahnhof Werder angelegt werden. In einer zwei Kilometer kürzeren Variante würden die Gleise bereits an der Post, dem zentrumsnäheren Knotenpunkt der Inselstadt, enden. »Eine Tramstrecke auf dieser Linienführung ist grundsätzlich machbar«, sagt Kaestner. Einige Knackpunkte gibt es dennoch. Der erste ist die Eisenbahnbrücke über die B1 unweit des Bahnhofs Pirschheide. Die Durchfahrt sei breit genug, in der Höhe könnten jedoch ein paar Zentimeter fehlen. »Man müsste die Gleise eventuell ein bisschen tiefer legen«, so Kaestner.

In der Geltower Ortsdurchfahrt ließe sich auf 1,2 Kilometern nur eine eingleisige Strecke anlegen. »Der Abschnitt ist nicht kurz, aber ein Zehn-Minuten-Takt wäre möglich«, erklärt der Nachwuchsplaner. Laut seinen Untersuchungen würde das Verkehrsaufkommen im Berufsverkehr einen Zug alle zehn Minuten tatsächlich rechtfertigen, ansonsten würde die Verbindung im 20-Minuten-Takt bedient werden. Kaestner geht davon aus, dass sich die Fahrgastzahl von derzeit 3000 auf knapp 4000 pro Werktag erhöhen würde.

»Ob das wirklich wirtschaftlich ist, kann ich mit meiner Studie nicht nachweisen«, räumt der Planer ein. Knapp 77 Millionen Euro soll der Bau kosten, acht zusätzliche Straßenbahnzüge würden noch einmal über 20 Millionen Euro kosten. Allerdings gibt es noch zwei Brücken zwischen Geltow und Werder. »Die müssten statisch untersucht werden, ob sie die Strecke tragen würden«, räumt Kaestner ein. Denn: »Die Brückenbauwerke sind ein sehr entscheidender Faktor, um herauszufinden, ob sich der Bau volkswirtschaftlich überhaupt lohnen würde.« An der Fahrzeit, etwas über 40 Minuten zwischen Bahnhof Werder und dem Potsdamer Hauptbahnhof, würde sich nichts ändern.

»Der Landkreis Potsdam-Mittelmark hat noch nicht darauf reagiert, obwohl er Kenntnis von der Untersuchung hat«, berichtet Kaestner. Potsdam plant derzeit eine 7,5 Kilometer messende Tramverlängerung im Norden. 2025 sollen die Gleise vom Campus Jungfernsee bis nach Fahrland führen, um neue Wohngebiete zu erschließen. Bis dahin ist hoffentlich auch der derzeitige Fahrermangel Geschichte. Die Landeshauptstadt musste deswegen den Betrieb auf zwei Straßenbahnlinien einstellen.

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