Startup-Spaß führt zu sozialer Verdrängung

»Factory Berlin« eröffnet »IoT Hub Berlin« / LINKE kritisiert Ansiedlung von Technikkonzernen

  • Florian Brand
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Chemie muss stimmen«, sagte Andreas Goerdeler vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zur Einweihung des neuen »IoT Hub Berlin« in der Lohmühlenstraße 65 in Alt-Treptow. Er spielte damit auf die einstige Funktion des 1895 gebauten Fabrikgebäudes an, das zu AGFA gehörte, eine Firma, die später Teil des Chemieunternehmens IG Farben wurde. Er verliert kein Wort über die Vormieter*innen. IoT Hub steht frei übersetzt für »Knotenpunkt/Zentrum für das Internet der Dinge«.

Wenn es nach dem Willen des Factory-Mitgründers Udo Schloemer geht, soll das historische Fabrikgebäude künftig zur größten Startup-Schmiede Deutschlands - wenn nicht sogar Europas - werden. Für ihn ist Berlin in 10 Jahren das neue Silicon Valley Europas. Mit rund 40.000 Gründungen im Jahr sei Berlin schon jetzt die deutsche Startup-Hauptstadt, so Schloemer.

Ein Referatsleiter aus der Senatsverwaltung, die das Projekt begleitet, ergänzt: »Berlin ist die digitale Hauptstadt, insbesondere an der Schnittstelle von Industrie und Digitalwirtschaft entwickelt sich eine große Dynamik.« An keinem anderen deutschen Standort gebe es ein solches Netzwerk.

Mitten in dieser Aufbruchstimmung will »Factory Berlin« nun in der Lohmühlenstraße 65 seinen zweiten Startup-Campus errichten, um dort künftig junge Unternehmer*innen mit erfahrenen Global Playern zusammen zubringen.

Zwei Dutzend Startups haben sich bereits auf dem 14.000 Quadratmeter großen Areal niedergelassen. 400 Menschen bevölkern demnach schon jetzt das fünfstöckige Gebäude. Bis zu 1500 sollen es noch werden. Spaß wird bei den Gründern groß geschrieben. So gibt es zum Beispiel zwei Restaurants in dem Gebäude, daneben noch ein Kino unterm Dach und eine Chillout-Lounge mit riesigem Bällebad. Den jungen Kreativen soll es schließlich gut gehen in der »L65«.

Alles andere als spaßig dürfte es unterdessen für die Vormieter*innen des alten Baus gewesen sein. Mitte 2016 war das Haus von dem damaligen Eigentümer, der Stiftung Bildung und Handwerk in Paderborn, für mehrere Millionen Euro verkauft worden. Gekauft wurde es damals von der JoLo Berlin Liegenschafts GmbH, die mittlerweile umgewandelt wurde in die L65 Grundbesitz GmbH. Die damaligen Mieter*innen, größtenteils Gewerbetreibende und Kunstschaffende, wurden kurzfristig über den anstehenden Eigentümerwechsel informiert. Schon damals gab es Spekulationen darüber, dass »Factory Berlin« hier ein Startup-Zentrum errichten wolle.

Für die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der LINKEN, Katalin Gennburg, ist diese Entwicklung symptomatisch für die Startup-Szene: »Im Prinzip ist das ein gutes Abbild der Wirtschaftsweise dieser Startups. Sie saugen die Kreativität aus bestehenden Strukturen, um daraus Kapital zu schlagen«, so Gennburg gegenüber »nd«. Technikkonzerne hätten auf Grund fehlender Steuergerechtigkeit eine Wirtschaftsmacht, die es ihnen erlaube, derartige Risikoinvestments vorzunehmen. »Die Kapitalmacht von Konzernen wie Google, materialisiert sich im gebauten Raum und sozialer Infrastruktur.« Gleichzeitig führe die Ansiedlung zu Verdrängungseffekten. »Wir haben das zum Beispiel in San Francisco erlebt, wo durch die Ansiedlung von Google völlig neue Verdrängungswellen in Siedlungen stattgefunden haben, wo hauptsächlich Minderheiten leben.« San Francisco im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien gilt mittlerweile als eine der teuersten Metropolen der Welt. »Am Ende ist es ein privater Raum am Google Campus, aber kein öffentlicher Spielplatz«, so Gennburg.

Die LINKEN-Politikerin fordert eine konsequentere Liegenschaftspolitik: »Der Finanzsenator muss jetzt das Geld rausrücken, damit wir das Geld aus den Haushaltsüberschüssen massiv in Liegenschaften investieren können.« Außerdem forderte sie im Rahmen digitaler Möglichkeiten sogenannte kommunale FabLabs (offene Werkstatt oder MakerSpace) zu fördern. »Die Regierung muss die Zeichen der Zeit erkennen.«

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