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Rebecca Harms gibt auf

Nach zahlreichen Konflikten mit ihren Fraktionskollegen im Europaparlament tritt die Grünen-Politikerin nicht noch einmal an

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die frühere Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, wird bei der Wahl im kommenden Jahr nicht erneut kandidieren. In einer Erklärung auf ihrer Website teilte die 61-Jährige in der vergangenen Woche mit, dass dieser Schritt »nicht zuerst mit den deutschen Grünen zu tun« habe. Harms ist vielmehr unzufrieden mit der politischen Ausrichtung ihrer Fraktion im Europaparlament. Differenzen zwischen ihr und ihren Kollegen bestehen insbesondere in der Sicherheits- und Militärpolitik, der Handelspolitik und in der Flüchtlingspolitik.

Im Kurznachrichtendienst Twitter teilte Harms, die seit bald 15 Jahren im Parlament sitzt, mit, nicht gegen das transatlantische Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada gestimmt zu haben. »Handelspolitik ist eine Grundlage der EU«, schrieb die aus Niedersachsen stammende Politikerin. Andere Grüne hatten hingegen kritisiert, dass durch Abkommen wie CETA der Druck zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen steige. Außerdem würden oft Umwelt-, Verbraucher- oder Sozialstandards zu Hürden für den Handel erklärt und deswegen weiter ausgehöhlt.

In der Asylpolitik hatte Harms das Abkommen der Europäischen Union mit der Türkei verteidigt, wie die »Süddeutsche Zeitung« schrieb. Zudem habe sie gefordert, ähnliche Verträge mit anderen Transit- und Herkunftsländern abzuschließen. Linke Grüne wie die frühere Parteichefin Simone Peter hatten den EU-Türkei-Deal hingegen als Sinnbild für die verfehlte Abschottungspolitik der europäischen Staats- und Regierungschefs bezeichnet.

Harms gilt auch als eine Unterstützerin der NATO-Aufrüstung gegen Russland. Die Präsenz des Kriegsbündnisses im Baltikum an der Grenze zu Russland hatte sie begrüßt. »Es geht hier nicht um eine aggressive Strategie, sondern es geht darum, bereit zu sein, sich zu verteidigen«, hatte Harms einmal in einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk behauptet. Für Grüne, die in der internationalen Politik auf Entspannung und Diplomatie setzen wollen, war dies ein Affront.

Euphorisch hatte Harms auf den politischen Umsturz in der Ukraine 2014 reagiert. Bei der Auswahl von Verbündeten in dem osteuropäischen Land war sie nicht wählerisch. Zeitweise hatte Harms den in Teilen der ukrainischen Öffentlichkeit verbreiteten Kult um die Soldatin Nadija Sawtschenko mitgemacht, die in russischer Haft saß und im Mai 2016 im Austausch gegen zwei russische Gefangene freigelassen wurde.

Sawtschenko hatte während des Kriegs in der Ostukraine im Freiwilligenbataillon Ajdar gekämpft. Die ARD hatte berichtet, dass zu dem Bataillon »rechtsgerichtete ukrainische Nationalisten gehören, von denen sich einige mit Hakenkreuzen und anderen Nazi-Symbolen schmücken, als Abzeichen auf der Tarnkleidung oder als Tätowierung auf dem Körper. Die Anführer und viele Mitglieder sind bekennende Neonazis und Mitglieder von rechtsextremen Gruppen.« Trotzdem hatte Harms nach der Freilassung von Sawtschenko verkündet, sie wolle sie möglichst bald in Kiew treffen.

Wegen des Streits um die Ausrichtung der Grünen in der EU hatte Harms bereits im Herbst 2016 ihr Amt als Fraktionsvorsitzende abgegeben. Ihre Nachfolgerin wurde die in der Partei links stehende Ska Keller, die seitdem gemeinsam mit dem Belgier Philippe Lamberts die Fraktion führt. Aus der Fraktion hieß es, dass die Unterstützer von Harms vor allem aus skandinavischen Ländern kommen. In anderen Staaten stehen die Grünen weiter links.

So mancher Parteilinke wird sicherlich nicht allzu erschüttert sein, dass Harms nun aufgibt. Bei den Realos erfährt sie hingegen viel Unterstützung. »Danke für alles, was Du für Europa und für die Ökologie geleistet hast! So viel und so viel Gutes! Als ehemalige Abgeordnete unter Deiner guten Führung kann ich nur sagen: Du wirst im Europaparlament fehlen und bitte bleibe uns erhalten und stelle uns die unangenehmen Fragen«, schrieb die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner auf Twitter. Ihre Fraktionskollegin Claudia Müller bedauerte ebenfalls den Abschied von Harms. »Vielen Dank für Deine Arbeit, Deine laute Stimme gegen Atomkraft, für Frieden und für Osteuropa hier und in Europa«, schrieb sie.

Ganz verstummen wird diese Stimme sicherlich nicht. »Natürlich werde ich mich mit meinen Ideen und nach meinen Möglichkeiten weiter in Deutschland in die Debatte zur Zukunft der EU einbringen«, kündigte Harms an.

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