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Lulas kurze Hoffnung auf Freiheit
Richter ordnete zunächst Freilassung des Ex-Präsidenten an / Präsident des Berufungsgerichts zieht Anordnung zurück
Rio de Janeiro. Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bleibt in Haft. Das entschied der Präsident des Berufungsgerichts in Porto Alegre, Carlos Eduardo Thompson Flores, am Sonntag. Zuvor hatte es Verwirrung über eine möglicherweise bevorstehende Freilassung Lulas gegeben. Ein Richter des Berufungsgerichts hatte dies angeordnet, stieß aber auf Widerspruch eines anderen Richters desselben Gerichts.
In einer Erklärung des Gerichtspräsidenten hieß es schließlich, er bestätige die Entscheidung von Richter João Pedro Gebran Neto, wonach der Ex-Staatschef weiter im Gefängnis bleiben müsse.
Zuvor hatte der Richter Rogério Favreto einer am Freitag eingereichten Eingabe mehrerer Abgeordneter von Lulas Arbeiterpartei (PT) überraschend stattgegeben und die umgehende Freilassung des 72-jährigen Politikers aus dem Gefängnis in der südlichen Stadt Curitiba angeordnet. Sein Richterkollege Gebran Neto erklärte diese Anordnung kurz darauf für ungültig.
Favreto beharrte zunächst aber auf seiner Anordnung zur Freilassung binnen einer Stunde. Diese Frist verstrich. Währenddessen versammelten sich mehr als tausend Anhänger Lulas vor dem Gefängnis in Curitiba. Sie zeigten Spruchbänder, schwenkten die brasilianische Flagge und forderten Lulas Freilassung. Brasilianische Medien erinnerten daran, dass Favreto bis 2010 Mitglied von Lulas PT war, bevor er sein Richteramt antrat.
Lula verbüßt derzeit eine umstrittene langjährige Haftstrafe wegen Verwicklung in eine weitverzweigte Korruptionsaffäre und Geldwäsche. Im Januar hatte das Berufungsgericht Lulas Verurteilung vom Vorjahr bestätigt und das Strafmaß sogar von neuneinhalb Jahren auf zwölf Jahre und einen Monat heraufgesetzt.
In Brasilien stehen im Oktober Präsidentschaftswahlen an, bei denen Lula antreten will. Umfragen sehen ihn trotz seiner Inhaftierung als aussichtsreichsten Kandidaten für die Wahl.
Lula regierte Brasilien von 2003 bis 2010. Ihm wird zur Last gelegt, dass er sich während seiner Präsidentschaft von der größten brasilianischen Baufirma OAS eine Luxuswohnung in der Küstenstadt Guarujá im Bundesstaat São Paulo schenken ließ sowie eine große Geldsumme in bar. Der Baukonzern soll im Gegenzug bei Verträgen mit dem staatlich kontrollierten Ölkonzern Petrobras begünstigt worden sein. Lula beteuert seine Unschuld und spricht von einem »Komplott«, mit dem seine Kandidatur für eine dritte Amtszeit verhindert werden solle.
In der Zelle in Curitiba hielt sich die Enttäuschung in Grenzen. Lula selbst hatte offenbar ohnehin nicht an seine Freilassung geglaubt. »Er hat gelächelt, wie er immer lächelt. Aber er hat nicht geglaubt, dass sie ihn freilassen«, sagte der Abgeordnete Wadih Damous, der am Sonntag bei ihm war. »Er hat gefragt: Glaubt ihr wirklich, sie lassen mich so einfach gehen?«
Die Petrobras-Affäre erschüttert die brasilianische Politik seit Jahren. Zahlreiche Geschäftsleute und Politiker verschiedener Parteien sind darin verwickelt. Petrobras soll zu überteuerten Bedingungen Aufträge an Baukonzerne und andere Firmen vergeben haben. Diese zahlten wiederum Bestechungsgelder an Politiker und Parteien.
Auch gegen den amtierenden Präsidenten Michel Temer von der rechtskonservativen Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) werden Korruptionsvorwürfe erhoben. Mehrere Minister seiner Regierung mussten bereits zurücktreten. Agenturen/nd
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