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Tausende fordern: »Kein Schlussstrich«
Bundesweite Proteste nach Urteilen im NSU-Prozess / Hamburger Initiative: »Es darf auf keinen Fall ein Schließen der Aktendeckel und ein Ende der Aufmerksamkeit geben«
Berlin. Nach den Urteilen im Münchener NSU-Prozess haben Tausende Menschen in mehreren deutschen Städten eine weitergehende Aufarbeitung der rechtsterroristischen Mordserie verlangt. Die Demonstrationen standen unter dem Motto »Kein Schlussstrich« und wurden von linken Gruppen angemeldet. In München, dem Ort des über fünf Jahre dauernden Mammutprozesses, versammelten sich nach Angaben der Polizei am Abend etwa 3000 Menschen zu einer friedlichen Kundgebung. In Berlin kamen über 1000 Menschen zu einer Demonstration, die Teilnehmer riefen etwa »Der NSU war nicht zu dritt«.
Die Wunden bluten noch
Angehörige der NSU-Opfer und Initiativen üben scharfe Kritik an Prozess und Behörden
In Hamburg, wo der NSU 2001 den Gemüsehändler Süleyman Tasköprü ermordet hatte, forderten rund 1000 Menschen weitere Aufklärung. »Es darf auf keinen Fall ein Schließen der Aktendeckel und ein Ende der Aufmerksamkeit geben«, sagte Robin Steinbrügge von der Hamburger Initiative für die Aufklärung des Mordes.
In Kiel warnten rund 600 Menschen auf einer Kundgebung vor einem Schlussstrich bei der Aufklärung der NSU-Morde, in Bremen versammelten rund 300 Menschen. In Frankfurt waren es rund 700 Teilnehmer einer Demonstration. In Rostock, wo 2004 der Imbiss-Verkäufer Mehmet Turgut erschossen worden war, kamen nach Veranstalterangaben rund 300 Menschen zu einer Spontandemonstration, die Polizei sprach von 200 Teilnehmern.
In der Leipziger Innenstadt demonstrierten nach Angaben des Netzwerkes »Leipzig nimmt Platz« rund 400 Menschen für »Aufklärung und Gerechtigkeit«. Zwickaus Oberbürgermeisterin Pia Findeiß (SPD) sieht die Aufarbeitung des Geschehens und die Erinnerung an die Opfer des NSU-Terrors als »bleibende Aufgaben - nicht nur für Zwickau, sondern für die Bundesrepublik insgesamt«. Mit einer Gedenkveranstaltung im Rathaus
sei »symbolisch die Trauer um die Mordopfer und der Angehörigen« zum
Ausdruck gebracht worden.
Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe war am Mittwoch wegen zehnfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Zudem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die Mitangeklagten erhielten mehrjährige Haftstrafen von bis zu zehn Jahren.
Einige Nebenkläger wollen am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Berlin nochmals ihre Sicht auf die Urteile darlegen.
Der NSU war 2011 aufgeflogen. Zschäpe hatte mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Untergrund gelebt. Diese ermordeten neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. Zudem begingen sie Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle. Agenturen/nd
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