Hungerlohn für angehende Psychotherapeut*innen
Nachwuchskräfte protestieren am Freitag vor der Charité gegen schlechte Bezahlung
Mit 150 Euro im Monat vergütet die Charité nach eigenen Angaben die Psychotherapeut*innen in Ausbildung (auch PiAs genannt) während ihres Klinikjahres. Für die Universitätsklinik sind die 50 PiAs damit billige Arbeitskräfte. Sie führen therapeutische Einzel- und Gruppengespräche, verfassen Anamnese- und Abschlussberichte, stellen Diagnosen - und das ohne besondere Anleitung.
»Die Behandlung unserer Patienten wird von leitenden Psycholog*innen und/oder Oberärzt*innen beaufsichtigt und teilweise supervisiert, jedoch von uns durchgeführt«, heißt es in einem Schreiben des PiA-Forums, in dem sich viele der Auszubildenden organisiert haben. »Unsere Arbeit besitzt damit keinen reinen Ausbildungscharakter.«
Eine Ausbildung zur Psychotherapeut*in dauert in der Regel drei Jahre in Vollzeit. Ihr voraus geht ein fünfjähriges Studium der Psychologie mit Masterabschluss. Absolvent*innen müssen sich nach dem Hochschulabschluss ein Ausbildungsinstitut suchen und die Kosten für die Ausbildung selbst tragen. Und das kann teuer werden: Zwischen 20 000 und 70 000 Euro verlangen die Institute dafür.
Neben dem theoretische Teil sind die Auszubildenden zu insgesamt 1800 Stunden »praktischer Tätigkeit in einer klinisch-psychiatrischen Einrichtung oder Praxis« verpflichtet. In dieser »Klinikzeit« spitzen sich die Geldprobleme meist zu. Denn bei dem geringen Verdienst lassen sich die Lebenshaltungskosten nicht nicht bezahlen - geschweige denn die Ausbildungsgebühren. Rechtens ist die miese Bezahlung deshalb, weil die Klinikzeit als Pflichtpraktikum gilt. Wie auch bei Studierenden muss der Arbeitgeber in solchen Fällen nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn zahlen. Im schlimmsten Fall arbeiten die Auszubildenden sogar umsonst.
Die angehenden Psychotherapeut*innen der Charité schlagen vor, dass 50 Prozent ihrer Arbeitszeit nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVÖD) entlohnt wird, und sie die restlichen 50 Prozent ihrer Arbeit unentgeltlich erledigen. Gleichzeitig fordern sie vertragliche Absicherungen in Krankheitsfällen, Urlaubstage, Überstundenregelungen und ordentliche Kündigungsfristen. Im Klinikalltag wollen sie zudem Supervisionen und eine bessere Einarbeitung. Ihre Argumentation dabei ist klar: »Wir tragen mit unseren Leistungen direkt zur Wertschöpfung der Charité Berlin bei. Ohne die Mitarbeit der Psychotherapeut*innen in Ausbildung könnte das psychotherapeutischen Programm auf den Stationen nicht realisiert werden.«
Die Charité weist auf nd-Anfrage darauf hin, dass eine Vergütung nach der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung nicht vorgesehen ist und die Klinik die PiAs »auf freiwilliger Basis« mit einem Aufwandsersatz von 150 Euro unterstütze. »Das Dilemma der geringen Ausbildungsvergütung ist aber ein bundesweites Problem und kann auch nicht von einer Institution wie der Charité allein gelöst werden.« Auf die Frage, ob die Charité dem Wunsch nach Gesprächen mit den Auszubildenden nachgehen will, sieht sich die Universitätsklinik scheinbar nicht in der Pflicht. Es bedürfe einer »einheitlichen bundesgesetzlichen Lösung«, so eine Sprecherin.
Demonstration am Freitag, 16 Uhr, vor der Charité, Schumannstraße/ Ecke Luisenstraße
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