Das arme Kind

Personalie

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Der kleine Laurent Simons hat es wahrlich nicht leicht. Sein Abitur hat er gerade abgelegt - mit acht Jahren. Jetzt möchte er studieren - nein, halt: Ob er das möchte, wissen wir nicht, er sagt, dass er das möchte, aber möglicherweise sagt er das auch nur deshalb, weil er davon ausgeht, dass seine Eltern möchten, dass er das sagt. Hochbegabte Kinder sind die Zirkustiere der Mediengesellschaft: Sie werden in der Arena, die man Gesellschaft nennt, als exotische Außenseiter vorgeführt, dem Publikum entfährt ob ihrer wundersamen Fähigkeiten ein Ah und Oh. Laurent Simons, so heißt es, habe einen IQ von 145, mag es am liebsten, wenn in der elterlichen Wohnung in Amsterdam laut die Bässe dröhnen, während er lernt (wir wissen ja, dass Hochbegabte wunderliche Gestalten sind, die gerne laute Musik, bevorzugt Heavy Metall, oder Klassik hören), und er ist - Achtung: nächstes Klischee! - auf dem besten Wege, der nächste Albert Einstein, Isaac Newton oder Stephen Hawkings zu werden.

Nein, dem kleinen Laurent steht kein gutes Leben bevor. Seine Eltern fördern ihn, und das ist wohl das Schlimmste, das man einem Kind wie ihm antun kann. Statt weiter lernen zu dürfen, muss er jetzt an die Universität und sich damit jeglichen Wissensdrang austreiben lassen. Laurent Simon will Mathematik studieren, weil dies sein Lieblingsfach auf dem Gymnasium im belgischen Brügge gewesen sei.

Dass Laurent sein Abitur in Belgien machte und nicht in den Niederlanden, hat folgenden Grund: Sein Vater ist Belgier, die Mutter Niederländerin. Beide sind Zahnärzte und beruflich so eingespannt, dass sie keine Zeit für ihren Sohn haben. Laurent wuchs daher bei den Großeltern im belgischen Ostende auf. Wenn sich diese Weigerung seiner Erzeuger, die Erziehungsverantwortung für ihren Sprössling zu übernehmen, mal nicht rächen wird. Während seiner mehrmonatigen Abiturzeit habe ihn nicht nur Mathematik interessiert, sagt Laurent, auch Geschichte habe er gemocht. Am interessantesten habe er den Kalten Krieg gefunden. Hoffentlich gibt es gute Familientherapeuten in Amsterdam.

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