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Männer-Meeting im Minenfeld
Nachdem Trump bei der NATO Gefangene gemacht hat, will er mit Putin Claims abstecken
Der in dieser Woche abgehaltene NATO-Gipfel hatte es in sich. Dass er - so wie alle vorangegangenen - vom US-Präsidenten dominiert werden würde, war klar. Doch das Wie hatte es in sich. Was Donald Trump will, nimmt er sich - oder vernichtet es. In Brüssel nahm er sich die NATO-Partner zur Brust und erpresste sie. So, wie es seine Art ist: höchst sprunghaft in seinen Gedanken, doch gnadenlos. Er provoziert, demütigt gestandene, mit den USA in schier unverbrüchlicher Freundschaft verbundene Politiker und Bündnisgenossen. Dabei missachtet er auch gerade geschlossene Verträge und Vereinbarungen.
Generell gilt: Wie in seinem geschäftlichen Leben will er als eine Art Heuschrecke den Moment nutzen. Um Cash zu machen und sich dann zurückziehen. Ihm sind vor allem jene bi- und multilaterale Abkommen, völkerrechtliche Verträge und Mitgliedschaften in Bündnissen, die auf Dauer angelegt sind und seiner America-first-Politik Grenzen setzen, ja gar den USA Pflichten auferlegen, ein Gräuel. So hat er Freihandelsabkommen gekündigt, stieg aus dem Klimaabkommen aus, so zog er sein Land aus der UNESCO zurück, bezeichnete den UN-Menschenrechtsrat als »Jauchegrube« und kippte die jüngste Übereinkunft der G7-Staaten. Einfach so, von Bord seines Flugzeuges, per Twitter. Trump braucht keine Bündnispartner, er braucht Untertanen.
Entsprechend ängstlich wurde der große Blonde mit den zu langen Krawatten von den Vertretern der anderen 28 Mitgliedsstaaten in Brüssel erwartet. Und gewiss hat manch NATO-Partner aufgeatmet, als der US-Präsident die deutsche Kanzlerin als Sparringpartner auswählte. Wie aus dem Nichts warf er Deutschland eine Abhängigkeit von russischen Öl- und Gaslieferungen vor. Deutschland werde »vollkommen durch Russland kontrolliert«, motzte Trump schon beim Frühstück. Was ist schlimmer als Kollaboration mit dem Feind, gegen den das nordatlantische Bündnis gerade so massiv hochrüstet?!
Jenseits von Realpolitik war es Trump gewiss ein Bedürfnis, Merkel zu demütigen. Eine Frau aus Deutschland, wo man gute Autos baut, die Leute aus »Dreckslöchern« ins Land ließ, die einen Doktortitel hat und die gut mit seinem verhassten Vorgänger Obama auskam, so eine kam ihm gerade recht! Merkels Angebot, den deutschen Wehretat zumindest auf 1,5 Prozent bis 2024 zu erhöhen, wischte Trump vom Tisch. Zwei Prozent und zwar sofort, verlangte er. Dann wieder schwärmte der Präsident nach einem Gespräch mit Merkel klebrig süß vom »hervorragenden Verhältnis«, das die beiden angeblich verbindet. Entsetzen, Verunsicherung, Chaos.
Geradezu sadistisch muss Trump diesen und den Moment nach der Verabschiedung des gemeinsamen Gipfeldokuments genossen haben, in dem die NATO-Kollegen gedacht haben, das Schlimmste sei überstanden und der solidarische Bündnisgeist habe abermals gesiegt. Da wurde aus »Dr. Jekyll« wieder »Mr. Hyde«. Das von allen abgesegnete Ziel, 2024 zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Rüstung aufzuwenden, dauere ihm zu lange. Umgehend muss das geschehen, sonst passiert etwas. Warum eigentlich nur zwei, vier Prozent wären besser! Und überhaupt: Wenn die NATO nicht spurt, dann könne er »sein Ding« auch alleine durchziehen.
Eiligst traf man sich zu einer Sondersitzung - Trump sprach danach von einem »enormen Fortschritt«, den er erzielt habe. Zur Belohnung sicherte der Präsident den anderen dann auch zu, dass die USA weiter zur NATO stehen.
Und Merkel? Die bezeichnete die Beratungen »über die Lastenteilung« zwar als sehr ernste Diskussion, betonte dann aber untertänigst: Deutschland wisse, dass es mehr für Verteidigung leisten müsse. Die Trendwende sei längst eingeleitet und: Alle europäischen NATO-Mitglieder wären sich einig über die veränderte Sicherheitslage. Was auch bedeutet: Deutschland wird künftig einen Teufel tun, um das Verhältnis zu Russland zu entspannen. Die Folge? Wladimir Putin wird nicht mehr darauf hoffen können, dass ihm das Berliner Kanzleramt ab und zu eine Kisten Radeberger in den Kreml schickt.
Der russische Präsident saß bei allen Verhandlungen in Brüssel irgendwie mit am Tisch. Vor allem als Buhmann. In der Abschlusserklärung des Gipfels bekennt sich die NATO abermals zur militärischen Abschreckung. Sie macht Russland dafür verantwortlich, dass »das euro-atlantische Sicherheitsumfeld weniger stabil und vorhersehbar geworden« ist. Dies sei nicht zuletzt eine Folge der »illegalen Annexion der Krim« sowie der »anhaltenden Destabilisierung des Ostens der Ukraine«. Man kritisiert Moskaus »provokative militärische Handlungen auch nahe der NATO-Grenzen« und will die eigene »Vornepräsenz im östlichen Teil des Bündnisses verbessern«. Moskaus »Desinformationskampagnen und böswillige Cyber-Aktivitäten« werden ebenso benannt wie der Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Skripal.
Dem und noch viel mehr hat Trump zugestimmt. Dennoch schauen die NATO-Vertreter sorgenvoll nach Helsinki, wo sich die Präsidenten der USA und Russlands am Montag treffen werden. Womöglich schlägt Trump gegenüber Putin einen freundlicheren Ton an als gegenüber den eigenen NATO-Partnern. Schon das wäre ein verheerendes Signal für die Allianz und ganz EU-Europa. Weshalb Ratspräsident Donald Tusk Trump warnte: »Es ist immer gut zu wissen, wer Ihr strategischer Partner und wer Ihr strategisches Problem ist.«
Unterschätzt Trump - wie einst Kennedy oder Bush - die Gefahr der zahlreichen politischen Minenfelder, in die er sich am Montag begibt? Die Ansicht des aktuellen US-Präsidenten, das Treffen mit dem Kreml-Chef werde womöglich die einfachste Station auf seiner Europareise, beunruhigt all jene, die so eisern an der NATO-Aufrüstung und den Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland festhalten wollen. Warum nur glauben so viele nicht, was die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders, versicherte? Sie sagte: »Wir erkennen den Versuch Russlands, die Krim zu annektieren, nicht an.« Sie sagte auch, die Sanktionen gegen Moskau würden so lange aufrechterhalten, bis Russland die Halbinsel an die Ukraine zurückgegeben habe.
Was aber sagt Trump, wenn ihn plötzlich Gefühle einer völlig neuen medienträchtigen Männerfreundschaft überwältigen sollten und er wieder einmal - wie beim Treffen mit dem Chef Nordkoreas - Weltgeschichte zu schreiben glaubt? Ignoriert er die Ratschläge all seiner Berater abermals? Sicher ist, den Boss raushängen zu lassen wie beim NATO-Gipfel, das geht beim Treffen mit dem coolen Fuchs Putin gar nicht.
Beide Staatenlenker hatten sich kurz beim G20-Gipfel im vergangenen Jahr in Hamburg getroffen. Danach gab es in Vietnam eine kurze Begegnung beim Treffen der Gruppe asiatischer und pazifischer Staaten (APEC) im November. Doch ein direktes Gipfeltreffen steht noch aus.
Im Westen traut man Trump zu, dass er - egal, was die NATO beschloss - die Annexion der Krim durch Russland unter der Hand akzeptiert. Unwahrscheinlich? Immerhin hatte der Präsident am Rande des G7-Gipfels gegenüber US-Medienleuten wissend erklärt, die Krim sei russisch, weil dort russisch gesprochen werde.
In Washington mutmaßen einige, Trump sei Putin verpflichtet. Der habe ihm den Bezug des Weißen Hauses erst ermöglicht. Ohne Zweifel, das ist ein wichtiges innenpolitisches Thema in den Staaten. Das für Geheimdienstfragen zuständige Senatskomitee hat gerade wieder seine Auffassung erneuert, dass Russland sich in den Präsidentschaftswahlkampf von 2016 eingemischt und die Bemühungen der demokratische Kandidatin Hillary Clinton torpediert habe. FBI, CIA und NSA stützen solche Befürchtungen. Trump hat angekündigt, er wolle Putin danach fragen. Sicher stellt Russlands Präsident gern einen neuen Persilschein für seinen Gesprächspartner aus. Und wie bedankt der sich dann dafür?
Weitere Themen bei Treffen der beiden Großen werden die Ukraine, Syrien und Afghanistan sein. Auch in diesen Fragen hat die NATO Positionen bezogen. Doch Trump ist, wie man weiß, auch in den Fragen flexibel. Wichtig wären neue Impulse, um das Wiederaufleben des Rüstungswettlaufes zu bremsen. Putin hat jüngst gezeigt, was angeblich in seinen Arsenalen steckt. Die Reaktion in Washington erfreute die US-amerikanischen Rüstungskonzerne durchaus. Aber vielleicht verabreden die beiden Präsidenten ja auch nur, dass man gemeinsam den Mars erobern will...
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