Robinien müssen weichen
Bahn digitalisiert Baumbestand entlang der Strecken / Risikogewächse werden gefällt
Der Regen prasselt herunter, als ob er aufholen wolle, was er in den vergangenen zwei Wochen verpasst hat. Die anhaltende Heftigkeit weckt Erinnerungen an das Jahr 2017 - allein, es fehlt der Sturm. Deshalb waren die Förster der Deutschen Bahn in der Nacht zum Donnerstag auch nicht in Alarmbereitschaft, wie es im vergangenen Jahr so häufig der Fall war.
Die Stürme von 2017 haben die Deutsche Bahn aber dazu gebracht, ihre Baumkontrollen ganzjährig zu intensivieren. Im Dezember wurde der sogenannte Aktionsplan Vegetation verabschiedet. In der Region Nordost - Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gehören dazu - wurde ein neues, neunköpfiges Team gegründet, das zunächst in der Hauptstadt tagtäglich die Bäume entlang der S-Bahn- und Fernverkehrsstrecken auf Schäden überprüft. Auf fünf Jahre ist der Aktionsplan zunächst angelegt.
In ganz Deutschland haben allein die Stürme im Herbst 2017 der Bahn Schäden in Höhe von 16 Millionen Euro beschert, berichtet Felix Gerhardt, der den Aktionsplan leitet. Zwar habe es auch in den vergangenen Jahren regelmäßige Kontrollen der Bäume entlang der Gleise gegeben. Doch bis jetzt wurden sie lediglich von der Seite angeschaut. »Wurzelfäule und Pilze kann man auf diese Weise nicht erkennen«, sagt Stephan Landrock, Chef der Berliner Bahnförster. Die neun neuen Kontrolleure leisten seit diesem Jahr die Vorarbeit für Landrocks 61 Mitarbeiter. Die Kontrolleure klopfen die Stämme ab und stechen mit Sonden in den Boden, um die Festigkeit der Wurzeln zu testen. Dann teilen sie den Förstern mit, welche Probleme sie wo feststellen. Müssen Bäume beschnitten oder gefällt werden, schreiten die Förster zur Tat.
Natürlich nicht, ohne dies mit den Behörden abzusprechen. Sechs Meter ab Mitte der jeweiligen Außengleise müssen in jedem Fall von Bäumen frei sein, um die Sicherheit der Bahnstrecken zu gewährleisten. Allein schon die Wurzeln könnten sonst für Probleme sorgen. Doch alles, was außerhalb dieses Bereichs liegt, fällt unter die üblichen gesetzlichen Regelungen. Das heißt auch: Wenn ein Baum gefällt wird, muss ein anderer gepflanzt werden. Die Bahn bevorzugt es, Ausgleichszahlungen zu leisten. »Ein neuer Baum an der gleichen Stelle wie der alte, das ergibt wenig Sinn«, sagt Landrock. Die Ausgleichszahlungen seien zweckgebunden und würden beispielsweise für Baumpflanzungen auf Schulhöfen verwendet.
Etwa 1300 Streckenkilometer Schiene gibt es in Berlin - sowohl S- als auch Fernbahnstrecke. In der gesamten Region Nordost sind es 5632 Kilometer. Pro Tag schafft jeder Kontrolleur etwa 80 bis 90 Bäume. In Kilometern lässt sich das nicht ausdrücken, da die Bäume mal dichter stehen, mal weiter voneinander entfernt. Da das Projekt auch noch relativ neu ist, gibt es wenige Statistiken.
Neben der Kontrolle gehören noch weitere Maßnahmen zum Aktionsplan Vegetation: Unter anderem sollen Bäume, die sich schlecht als sogenanntes Begleitholz eignen, ersetzt werden. Dazu gehören beispielsweise Robinien, die vor Jahrzehnten in großen Mengen entlang von Bahnlinien gepflanzt worden waren. Nun stellt sich heraus, dass ihre Wurzeln häufig faulen, ohne dass es dem Rest des Baumes anzusehen wäre. Fehlen die Wurzeln, kippen die Bäume leichter um. Auch Pappeln sind ein Problem, weil deren Holz besonders weich ist.
Aktuell wird darüber hinaus ein digitales Kataster erstellt: Alle Bäume entlang der Strecken sollen in eine Datenbank eingetragen werden, mit Informationen über ihren Zustand. Dazu sollen auch Satellitendaten genutzt werden. Der Grundbestand soll bis Ende dieses Jahres erfasst sein.
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