John Degenkolb gewinnt Etappe in Roubaix

Auf einem chaotischen Abschnitt über unzählige Pflastersteine gewinnt der Geraer seinen ersten Tagesabschnitt bei der Frankreichrundfahrt - ein Favorit muss aufgeben

  • Tom Mustroph, Roubaix
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Held der Pflastersteine ist zurück. John Degenkolb bricht seinen Tour-de-France-Fluch ausgerechnet in Roubaix. Er tauchte als Erster aus dem aufgewirbelten Staub der nordfranzösischen Feldwege und Pflastersteine auf, die den Fernsehbildern eine an alte Zeiten erinnernde Sepia-Färbung verlieh. Die Gesamtführung und damit das gelbe Trikot verteidigte der im Sprint geschlagene Greg van Avermaet. Von den Favoriten für das Gesamtklassement musste der Australier Richie Porte bereits alle Hoffnungen begraben. Er schied nach einem Sturz aus.

Die Tour de France pflegt zuweilen echtes Understatement. 15 Pavé-Sektoren von insgesamt 21,7 km Länge standen auf dem Plan dieser neunten Etappe. Mit dem Kopfsteinpflaster machten die Radprofis aber schon vorher Bekanntschaft. Der neutrale Start ereignete sich auf der wunderschönen Place d’Armes im Zentrum der nordfranzösischen Stadt. Bodenbelag war, natürlich, das historische Pflaster. Es schüttelte schon vor dem scharfen Start die Glieder ein wenig durch. Als hätte das nicht ausgereicht, fanden sich unterwegs zwischen den nummerierten Abschnitten auch kurze, nicht klassierte Sequenzen mit den Rüttelsteinen.

»Für uns kann es gar nicht genug Pflastersteine geben. Wir wollen das Rennen gewinnen und zugleich ein paar Klassementfahrer herauskicken«, tönte vor dem Start noch Patrick Lefevere, Chef des Rennstalls Quick Step. Das belgische Team holte sich vier Mal in der letzten Dekade den Pflasterstein, der den Sieger des Frühjahrsklassikers Paris-Roubaix auszeichnet, und ist traditionell dominant auf diesem Terrain.

Lefeveres Truppe um Ex-Weltmeister Philippe Gilbert und Ex-Roubaix-Sieger Niki Terpstra musste aber noch gar nicht viel Watt in die Pedalen packen, als es den ersten Mitfavoriten erwischte. Der Australier Richie Porte stürzte nach nicht einmal zehn Kilometern - auf glattem Asphalt! Er hielt sich die Schulter, er weinte, teils sicher vor Schmerz, teils aber auch aus Enttäuschung. Die ganze Trainingsarbeit war umsonst, und die Tour für ihn zu Ende, bereits auf der 9. Etappe, wie schon im Vorjahr.

Ebenfalls sehr früh fiel Romain Bardet zurück. Frankreichs große Tourhoffnung hatte einen Defekt. Er musste sein speziell für Roubaix vorbereitetes Rad gegen ein normales Straßenrad austauschen. Lange hielt sich der AG2R-Profi etwa eine Minute vom Peloton entfernt. Er verschliss Helfer um Helfer in der Nachführarbeit, schaffte aber etwa 30 Kilometer vor dem Ziel wieder den Anschluss.

Auch andere Favoriten erwischte es. Chris Froome (Sky) stürzte auf dem achten Sektor, fand aber schnell zurück ins Feld. Der Tourzweite Rigoberto Uran (Education First) wurde gleich zweimal durch einen Sturz aufgehalten, der Spanier Mikel Landa (Movistar) ging einmal zu Boden. Beide Mitfavoriten kamen am Ende mit Rückstand ins Ziel.

Eine dramatische Nachricht folgte auf die andere. So viele Stürze wie auf dieser Touretappe gibt es bei dem eigentlichen Klassiker sonst nicht. »Das war härter und schneller als das normale Roubaix«, sagte später der Rostocker Sprinter André Greipel, der Achter wurde.

Quick Step war nicht so dominant wie sonst. Terpstra wurde früh durch einen Sturz gebremst, Gilbert später von einem Platten. Immerhin aber war Teamkollege Yves Lampaert dabei, als auf dem vorletzten Pflastersteinsektor der Geraer John Degenkolb davonzog. Zu den beiden gesellte sich noch der Mann in Gelb van Avermaet. Den Klassikerspezialisten gehörte endgültig die Bühne.

Degenkolb entschied dann den Sprint für sich. »Es liegt eine unfassbar schwere Zeit hinter mir. Meine Familie stand aber immer hinter mir. Ihnen das so zurückzugeben, ist das Beste, was es gibt«, sagte er im Ziel.

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