Brandenburg summt

Kleingärtner wehren sich gegen Verdrängung aus den Städten und kämpfen für Lebensqualität

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

»Brandenburg ist Gartenland«, rief Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) aus, als er kürzlich zu später Stunde den parlamentarischen Abend der Brandenburgischen Gartenfreunde enterte. Nette Sprüche aus Politikermund sind natürlich willkommen und wurden auch hier artig mit Beifall bedacht. Eine strahlende Abendsonne vergoldete diese Zusammenkunft, die traditionell in der Potsdamer »Hinzenbergklause« stattfindet, einem Gartenlokal inmitten von Schrebergärten, die diesen attraktiven Platz an der Havel im schicken Potsdam bis heute immerhin noch behaupten.

Das aber ist in der Landeshauptstadt längst nicht überall der Fall. Und also ging es den Gärtnern nicht darum, Nettigkeiten auszutauschen, sondern sie pochten auf handfeste Dinge, die ihnen auf den Nägeln brennen. Die Zweiteilung des Landes in einen Berliner Speckgürtel und einen sich entleerenden Rest präge auch die Gartenlandschaft und die Vereinstätigkeit, sagte der Vorsitzende des Landesverbandes Brandenburg der Gartenfreunde e. V., Bernd Engelhardt. Während in den berlinfernen und dünn besiedelten Regionen die Aufgabe bestehe, mittels durchdachter Entwicklungskonzepte den teilweisen Rückbau von Gartenland zu bewältigen, müssten in den Zuzugsgebieten die Kleingärten verteidigt werden gegen Wohnungsbau-Investoren, Gewerbetreibende, Verkehrsflächen - eben alles, was Raum fresse. In dieser Situation erscheinen vielen die Kleingärten aus DDR-Tagen als leicht zu enteignende Beute.

Engelhardt empfahl den Mitgliedern, dies nicht einfach hinzunehmen, sondern sich auf der Grundlage des Bundes-Kleingartengesetzes auch zur Wehr zu setzen. Es sei eben ein Unterschied, ob eine erhöhte Pacht gefordert werde oder eine Kleingartenanlage verschwinden müsse. Was in kommunalen Bebauungsplänen stehe, sei kein Naturgesetz. Nicht zuletzt deswegen ruft der Verband seine Mitglieder auf, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren und Einfluss auf die Arbeit der örtlichen Gutachterausschüsse zu nehmen. Sich mit allen Fragen gleich an die oberste Landesebene zu wenden, sei nicht zweckmäßig. Es komme darauf an, die Pro᠆bleme auf der Ebene zu lösen, auf der sie entstehen. Hier seien die Kleingarten-Beiräte gefordert.

Der Garten ist von alters her das Sinnbild für die Fähigkeit des Menschen, Natur zu formen, sie seinen Interessen und seinem Schönheitssinn entsprechend zu gestalten. Diese kulturelle Mission bestehe weiter, erklärte Engelhardt und verwies auf die stadtbildprägende Rolle von Gartenanlagen. Sie haben einen positiven Einfluss auf Lebensqualität, auf Luftgüte und Mikroklima. Der Funktionär sagte, es treffe nicht zu, dass es dabei ausschließlich um Interessen alter Menschen gehe. Der Verband begrüße auch »relativ junge Mitglieder«, die nach Ausbildung, Studium und Familiengründung mit ihren Kindern den Garten wieder für sich entdeckten. Im Trend hin zu einer bewussten und gesunden Ernährung etwa komme dem Kleingarten wieder eine höhere Bedeutung zu. Hier wüssten die Menschen mit Sicherheit, was sie essen, wenn sie es selbst anbauen. Der Anbau von Obst und Gemüse bleibe ein Schwerpunkt der kleingärtnerischen Tätigkeit, »die Erholung steht daneben« unterstrich Engelhardt.

Unter der Überschrift »Brandenburg summt« orientiert der Verband seine Mitglieder auf den Schutz der Honigbiene und eine intensivere Zusammenarbeit mit Imkern. Auch dort würden die Aktiven immer älter, schilderte Engelhardt ein Teil des Problems. Der Appell, sogenannte Blühstreifen anzulegen, richtet sich nicht nur an die Landwirte, sondern wird auch von den Gartenfreunden aufgegriffen. Gregor Beyer, ein Vertreter des »Forums Natur«, forderte bei dem Treffen für Brandenburg ein »Blühstreifenprogramm« nach dem Vorbild, wie es in anderen Bundesländern längst umgesetzt werde. Schon mit einer halben Million Euro (die vorrangig zum Kauf von Samen genutzt werden sollten) könne viel für den Schutz der Bienen erreicht, aber auch der allgemeine Verlust von Tier- und Pflanzenarten aufgehalten werden, erklärte Beyer.

Der Gartenverband ist 1990 aus dem DDR-Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter hervorgegangen. Siedler und Kleintierzüchter hatten sich im Zuge der Wende für unabhängig erklärt und ihre eigenen Vereine gegründet. Mit mehr als 80 000 Kleingärtnern hat der Verband in Brandenburg begonnen, heute sind immerhin noch ungefähr 62 700 Mitglieder in 32 Verbänden und 1265 Gartenvereinen organisiert, für die der Verein spricht. Von seinen Funktionären waren einst viele im havelländischen Obstanbaugebiet tätig, das - auch mit Blick auf den damaligen Markt »Westberlin« - ab den 1970er Jahren ein DDR-Mustergut im Großen gewesen ist. Besonders viele Mitglieder hat der Gartenverband in den größeren Städten des Landes, nicht zuletzt in Potsdam und Frankfurt (Oder).

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