- Sport
- Fußball-WM
Was kommt nach dem Finale?
Die wichtigsten Fragen nach dem donnernden 4:2 der Franzosen gegen Kroatien
Ganz am Ende kam die Sintflut: Sturzbäche ergossen sich am Sonntagabend auf den Rasen des Moskauer Luschnikistadions, als die Siegerehrung der 21. Fußball-WM begann. Wladimir Putins Leibwächter hatten dabei in Sachen Ausstattung die Nase vorn: Den russischen Präsidenten schützte ein riesiger Regenschirm, während die KollegInnen im Regen standen. Emanuel Macron und Kolinda Grabar-Kitarović machten dennoch eine bessere Figur: Während Putin nur die Zuschauerrolle blieb, herzten und umarmten die beiden anderen ihre Staatsdiener - begeistert von einem verrückten Finale.
Was bleibt von diesem Endspiel?
Die Erinnerung an ein in vielerlei Hinsicht denkwürdiges Match! Das 4:2 war eines der torreichsten Endspiele in der langen Geschichte der Fußballweltmeisterschaften. Nur beim 5:2 der Brasilianer 1958 gegen Schweden fielen mehr Tore. Zudem gab es vor 78 000 Zuschauern viel mehr Hin und Her, als es das Resultat letztlich aussagte. Einer Sturm- und Drangphase der Underdogs aus Südosteuropa folgte ihr Eigentor - eingeleitet von einem französischen Freistoß, der wiederum fälschlich nach einer Schwalbe gegeben wurde. Danach ein Handelfmeter, der erst nach langem Studium der Videobilder verhängt wurde, gefolgt von wunderschönen Treffern und einem Wahnsinnspatzer des Weltmeister-Torhüters Hugo Lloris, in dessen Folge es 2:4 stand, was Kroatien noch bis fast zum Abpfiff von einer Wende träumen ließ. Das Endspiel der WM 2018 enthielt fast soviel Diskussionstoff wie die vorangegangenen 63 Begegnungen zusammen.
Was gibt’s zu Perisics Handspiel noch zu sagen?
Von Kroatiens Trainer Zlatko Dalic zumindest den dezenten Hinweis, dass man »so einen Elfmeter in einem Endspiel einfach nicht geben sollte«. Diese fragwürdige Entscheidung habe schließlich einen großen Einfluss auf das Spiel genommen. Andererseits beeilte sich der 51-Jährige zu betonen, ihm liege nichts ferner, als den Schiedsrichter zu kritisieren. Vor allem solle dieses Murren nicht den Sieg der Franzosen schmälern: »Der war verdient. Wer vier Tore in einem WM-Finale kassiert, kann am Ende nicht als Sieger vom Platz gehen«, urteilte Dalic, für den als bisher größte Erfolge der Meistertitel und der Pokalsieg in den Vereinigten Arabischen verzeichnet waren. Dem ehemaligen Profi von Hajduk Split winken neue berufliche Perspektiven.
Werden die jungen Franzosen den Weltfußball künftig beherrschen?
Nun: Kylian Mbappé, der Wunderstürmer mit den kamerunischen und algerischen Wurzeln, ist mit seinem Sieg bereits ein Weltstar. Dem Finale drückte er seinen Stempel auf, in dem er das 3:1 durch Pogba einleitete und das 4:1 selbst besorgte. Sein Kollege Antoine Griezmann, der beste Spieler des WM-Finals, sieht die Zukunft der Equipe Tricolore jedenfalls rosig: »Das ist Frankreich, wie wir es lieben. Es gibt verschiedene Herkünfte, aber wir sind vereint. So ist es auch in der Mannschaft. Wir spielen für dieses eine Trikot.« Sollte Trainer Didier Deschamps bis zur EM mit dieser Mannschaft weitermachen, winkt ihm in zwei Jahren ein neuer Rekord: Er könnte der erste Trainer sein, der nach einem Titeldouble als Spieler binnen zwei Jahren (WM 1998 und EM 2000) nun das Gleiche als Trainer hinlegt.
Was wird aus den Kroaten?
Die Vizeweltmeister von 2018 sind die zweite »Goldene Generation« nach den Halbfinalisten von 1998 um Davor Suker. Doch dass die Mannschaft um Kapitän Luka Modric auch 2022 noch ganz oben mitspielt, ist keinesfalls gewiss. Im November 2022 wird Modric 37 sein, Stürmer Mario Mandzukic 36 und Antreiber Ivan Rakitic 34. »Ich wünschte, wir wären jetzt 24, jeder von uns und besonders Luka«, beklagte denn auch der 29-jährige Verteidiger Dejan Lovren nach der Finalniederlage der »Vatreni«.
Was sagt die FIFA zum Turnier?
Der Weltverband ist rundum zufrieden. Präsident Gianni Infantino sprach vom »besten Turnier aller Zeiten«, die senegalesische FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura sagte, für Katar liege die Latte nun »sehr, sehr hoch«: Die Profis waren allesamt angetan von den Bedingungen. Russland beeindruckte mit topmodernen Arenen, reibungslosen Abläufen und zufriedenen Fans aus aller Welt.
Was tut sich in Katar?
Der Wüstenstaat präsentierte sein WM-Projekt in gleich drei verschiedenen Pavillons: zwei in Moskau, einer in St. Petersburg. Die Winter-WM 2022 soll in 28 Tagen über die Bühne gebracht werden. Das Finale wird am 18. Dezember angepfiffen werden. Man rechnet mit noch höheren Kosten als bei der WM 2018, die zehn Milliarden Euro gekostet haben soll.
Was ist aus den Flitzern von Pussy Riot geworden?
Die vier fröhlichen Störenfriede vom Finale befanden sich am Montagnachmittag weiterhin in Polizeigewahrsam, wie Aktivisten der Polit-Punk-Gruppe Pussy Riot mitteilten. Die Flitzer hatten beim Finale für eine kurze Unterbrechung gesorgt, als sie in Uniformen russischer Polizisten auf das Spielfeld rannten. Pussy Riot nannte die Platzsturmaktion ironisch »Die Polizei kommt ins Spiel«, erinnerte aber an die Defizite Russlands: Pussy Riot fordert unter anderem die Freilassung aller politischen Häftlinge. Bemerkenswert fanden auch viele Russen die gelungene Störaktion der Punkfeministinnen. Wann gab es zuletzt unmittelbar unter den Augen des Präsidenten Putin Widerspruch und Protest?
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.