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Rassistisches Motiv verkannt

Der Verein Opferperspektive kritisiert den Umgang der Justiz mit rassistischen Angriffen

  • Bosse Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Vor dem Amtsgericht Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) ist am Dienstag ein 19-Jähriger zu einer Jugendstrafe von acht Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung, sowie zum Ableisten gemeinnütziger Arbeit im Umfang von 100 Stunden verurteilt worden. Beinahe vor einem Jahr, im August 2017, hatte er in Großräschen eine Gruppe Migrantinnen, die mit ihren Kindern auf einem Spielplatz picknickten, angegriffen.

Die Richterin sah es als erwiesen an, dass er auf die Gruppe losgegangen war, sie zunächst ausländerfeindlich beleidigte und mit dem Tode bedrohte. Danach verfolgte der zum Tatzeitpunkt stark alkoholisierte Deutsche die Gruppe, trat ein fünfjähriges Kind in den Rücken, schlug einer Frau ins Gesicht und trat der zu diesem Zeitpunkt im siebten Monat Schwangeren in den Bauch. Die Frau musste anschließend im Krankenhaus behandelt werden. Das Kind kam später unversehrt zur Welt.

In der Verhandlung sagte die betroffene Frau aus, sie habe mit ihren zwei Kindern auf dem Arm versucht, vor dem Angreifer zu fliehen. Er habe dennoch nicht von ihr und ihren Kindern abgelassen. Laut Ansicht des Gerichts erfüllte dies die Straftatbestände der Gefährlichen Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung.

Der Beschuldigte berief sich in der Verhandlung auf Erinnerungslücken. Zu der attackierten Frau, die Nebenklägerin war, sagte er zugleich: »Ich möchte mich von ganzem Herzen entschuldigen.« Auch bei anderen Zeugen bat der Angeklagte an dem Prozesstag um Entschuldigung. Da er bis dahin nie versucht hatte, seine Opfer zu kontaktieren, stufte das Gericht die Ausführungen des Angeklagten in der Urteilsbegründung als nicht glaubwürdige Schutzbehauptung ein. Zudem führte es aus, noch heute habe das Opfer Angst, wieder auf den Spielplatz zu gehen.

Zu seiner möglicherweise ausländerfeindlichen Motivation sagte der Angeklagte: »Ich habe gegen niemanden etwas.« Die Verteidigung wollte daher keinen politischen Zusammenhang erkennen. Zudem sei der Angeklagte zuvor nie in dieser Form in Erscheinung getreten. Sein Mandant sei ausgetickt, das sei ganz klar, sagte der Anwalt. Dennoch stehe für ihn fest: »Das ist hier ein Ausnahmefall.«

Auch der Staatsanwalt ging in seinem Plädoyer nicht von einer politischen Motivation der Tat aus, sprach aber zugleich von der ausländerfeindlichen Einstellung des Angeklagten. Anders sah das die Vertretung der Nebenklage, die von einer eindeutig rassistisch motivierten Tat sprach.

Ähnlich sieht es der Verein Opferperspektive e. V., der Menschen betreut, die Opfer rechter Gewalt geworden sind. Laut dem Verein handelt es sich in dem Fall um eine der schlimmsten rassistischen Gewalttaten des vergangenen Jahres. So sei das Strafmaß zwar angemessen. Dass jedoch das rassistische Tatmotiv im Urteil nicht benannt wird, kritisiert der Verein. Dem »nd« sagte Anne Brügmann von der Opferperspektive, es sei nicht nachvollziehbar, warum die politische Motivation des Angriffs in der Urteilsbegründung mit keinem Wort erwähnt werde. »Die Richterin selbst hat während der Verhandlung nicht ein einziges Mal das Wort Rassismus in den Mund genommen«, so Brügmann weiter. Auch Zeugenaussagen, denen zufolge Bekannte des Beschuldigten versucht hätten, diesen vom Spielplatz fern zu halten, da dieser »immer austickt, wenn er Ausländer sieht«, seien nicht in die Tatbeurteilung mit eingeflossen. Auch, wie der Staatsanwalt eine politische Motivation ausschließen, zugleich aber eine ausländerfeindliche Einstellung attestieren kann, sei für sie ein großes Rätsel. Er reduziere damit »Ausländerfeindlichkeit« auf einen vermeintlichen Rand der Gesellschaft. Dabei seien es nicht allein organisierte Rechte, die politisch motivierte rassistische Gewaltstraftaten begingen. Aus ihrer Sicht handele es sich bei dem Vorfall um einen sogenannten Vorsatz bei Gelegenheit, da bei dem Angeklagten eine gefestigte rassistische und xenophobe Einstellung festzustellen sei, die bei Gelegenheit in Gewalt umschlage. Die Regelungen zur polizeilichen Erfassung derartiger Delikte war 2001 bundesweit reformiert worden. »Ich hätte gedacht, dass in der Brandenburger Justiz inzwischen mehr passiert ist«, so Brügmann.

Vor kurzem hatte Brandenburgs Innenministerium in seinem jährlichen Verfassungsschutzbericht bekannt gegeben, dass von offiziellen Stellen im letztes Jahr 127 rechte Gewalttaten in Brandenburg registriert wurden. Ob das den Fall in Senftenberg einschließt, ist nicht nachzuvollziehen. Im selben Zeitraum zählte der Verein Opferperspektive 171 rechte Gewalttaten. Generell sei 2017 ein Anstieg der Gewaltbereitschaft gegen Frauen und Kinder zu verzeichnen gewesen, so der Verein. So sei eine von acht Betroffenen rechter Gewalt in diesem Zeitraum zum Tatzeitpunkt 13 Jahre alt oder jünger gewesen. Motiviert seien diese Taten, wie der Fall in Großräschen, meist rassistisch.

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